Dienstag, 3. Dezember 2013

Aber freilich macht die Natur Sprünge.

Dieter, pixelio.de
 

... Von Bewußtsein zu reden, ist mir schon etwas zu eilig. In unserm "Gewärtigsein von..." ist allerhand, das im (reflektierenden) Bewußtsein nicht (mehr) vorkommt. Wolf Singer und Gleichgesinnte scheuen sich nicht, allgemein von "Geist" zu reden, und in dem Punkt würde ich ihnen nicht widersprechen.

... "Geist=Absicht", hat der Urromanitker Friedrich Schlegel in einem "Fragment" geschrieben. "Intentionalität" wurde in der phänomenologischen Philosophie von Edmung Husserl die spezifisch menschliche Zugewandtheit zur 'Welt' und zu den 'Dingen' genannt.

Daß dem ein sogenanntes materielles Substrat zu Grunde liegt; daß das, was sich zwischen den Neuronen im Gehirn abspielt, die Voraussetzung dafür ist, daß wir nicht nur auf Reize reagieren, sondern auf das eine und von dem Anderen absehen können, wird auch ein Gottgäubiger nicht bestreiten wollen. Aber daß der Geist, weil er aus den physiologischen Vorgängen im Gehirn herkommt, auch selber nichts anders ist als ein physiologischer Vorgang, ist ein gedankenloses Dogma. Wolf Singer trägt dafür nur ein einziges Argument vor: "Die Natur macht keine Sprünge."

... Gerade im ganz kleinen Bereich macht "die Natur" kaum etwas anderes.* Auch Wolf Singer wird ja wissen, welcher Sprung passiert, wenn ein Atomkern auseinander gerissen wird. Das macht "die Natur" aber nicht von allein? Na schön, dann reden wir davon, was passiert, wenn zwei Atomkerne fusionieren: Das macht "die Natur" von allein! Sonst gäbe es kein Licht auf der Erde. Wenn man es aber auf der Erde nachmachen würde - na, wenn das kein "Sprung" wäre! Danach bräuchten wir bald kein Licht mehr auf der Erde...

Das ist eine uralte Vorstellung, daß der Geist eine Art verdünnte, "vergaste" Materie sei, da hat die Hirnphysiologie gar nichts hinzu erfunden. Aber wenn dem so wäre, dann müßte sich - weil die Natur ja keine Sprünge macht! - der Vorgang umkehren lassen und müßten sich Vorstellungen zu Materie verdichten lassen. Wer weiß, vielleicht könnte man aus besonders edlen Gedanken sogar Gold machen? Das wäre der endlich gefundene Stein der Weisen.

Ich stimme auch zu, daß das nicht eine theoretische Diskussion um Kaisers Bart ist, sondern eine praktische Diskussion um die Willensfreiheit. Es geht nicht darum, ob es theoretisch wahr ist, daß unsere Willensakte "durch Freiheit" zustandekommen - und zu welchem Prozentsatz; sondern darum, daß es praktisch richtig ist, daß einer sein Leben so führt, als ob er für sein Tun und Lassen durch freie Wahl selbst verantwortlich ist. So hat es Kant gesehen, so hat es Fichte gesehen, und so haben es die Romantiker gesehen, bevor sie sich im Biedermeier ruhigstellen ließen.
 


aus e. online-Forum, 24. 9. 07


*) Es beginnt bei den ganz elementaren, aber oft missverstandenen "Quantensprüngen". Auf denen beruht unsere Welt, unser Mesokosmos.

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