Dienstag, 27. Mai 2014

Wissen.

Markus Kräft  / pixelio.de

Eine Diskussion in einem online-Forum im Mai 2009


...Wissenschaft ist, was Wissen schafft.

Nein. Wissen kann auf alle erdenklichen und wohl sogar auf unerdenkliche Weisen 'entstehen'. Das Wissen, das Wissenschaft schafft, ist geprüftes Wissen. Ob nämlich ein Wissen 'wahr' ist oder nicht, kann nicht von der Art und Weise seines Zustandekommens abhängig gemacht werden. Vielleicht ist der religiöse Glaube an einen persönlichen Gott ja wahr. Es kann nach der Natur des Glaubens aber nicht geprüft werden.

Sag mir nicht, Glauben sei nicht Wissen. Der Glaubende wird Dir sagen, das sei gehupft wie gesprungen, und gar: sein Glaube sei sicherer als Dein Wissen.

Deine Bemerkung vereinfacht das Problem nicht, sondern verschiebt es in die Region des Unergründlichen, womit nichts gewonnen, sondern alles verloren ist. 'Was Wissen ist', kann immer nur im Wissen ausgesagt werden. Die Frage setzt ihre Antwort schon voraus. Mit der Frage 'Gibt es Wissen?' steht es nicht besser.

'Ich weiß heißt: Es ist mir als gewiss bekannt', sagt Wittgenstein auf seine tautologische Art.

...Nunja, irgendwann wird man das Wissen "glauben" müssen, irgendwann muss man springen und das Wissen formulieren. ...

Hoppla, nicht so schnell! Das ist erst das letzte Wort der Philosophie (sofern sie theoretisch und selber Wissenschaft ist) und nicht schon das zweite oder dritte.

Danach, wenn alles Theoretische erledigt ist, kommt nämlich die "praktische" Philosophie - wo es um die Zwecke geht und nicht um die hinreichenden Gründe: Diese muss man auffinden, aber jene muss man 'setzen'; aus freien Stücken behaupten. Und da steht dann als erstes die Frage: In welcher Absicht "muss" man glauben, wozu will man 'wissen'? Das hat nämlich Folgen in dem, 'was' man schließlich zu 'wissen' bekommt. Und dann wird man finden: Das Wissen der exakten alias 'Natur'wissenschaften rechtfertigt sich durch seine Nutzanwendung in unserm Stoffwechsel mit der Natur. Da kann einer stehen bleiben und sagen: Mehr als Stoffwechsel (und vielleicht auch noch Fortpflanzung, aber das fällt ins selbe Kapitel) braucht das Leben nicht zu seiner Rechtfertigung. Widerlegen kann man ihn nicht. Aber gering schätzen und verhöhnen.

(Das heißt, 'eigentlich' käme die praktische Philosophie vor der theoretischen. Aber das weiß man erst nach der Kritik der realen Wissenschaften durch die theoretische Philosophie. Versucht man es andersrum, kommt ein x-beliebiger Dogmatismus heraus, den man ebenso gut glauben wie auch nicht glauben kann.)

...Die Abhebung des öffentlichen Wissens vom privaten Wissen ist mir nicht ganz klar…

Glauben zum Beispiel ist ein privates Wissen. (Dass er öffentlich zur Schau gestellt wird, tut nichts zur Sache.) Das Wissen, dass meine Nase juckt, auch. (Dass es sich öffentlich überprüfen ließe, tut ebenfalls nichts zur Sache - solange es nicht geschieht.)

Aus "...dass die hinreichende und erschöpfende Definition von Wissenschaft die sei, dass sie öffentliches Wissen ist"  ist doch abzuleiten, dass privates Wissen kein Wissen ist, oder?

Aber nein, ganz und gar nicht. Der Zufall oder die Vorrrsehung könnte es so eingerichtet haben, dass ich schlechterdings alles weiß - und natürlich 'wahr' weiß. Aber solange ich meine Weisheit für mich behalte und sie schließlich mit ins Grab nehme, ist dieses Wissen niemals Wissenschaft geworden. Auch wenn ich alles austrompete, aber keiner hört mir zu - weil keine Redaktion meine Texte druckt und/oder weil im Internet sowieso die Brüllaffen den Ton angeben -, dann würde es auch nicht zu Wissenschaft, sondern ginge ungehört unter. Wenn es mir nun gelänge, immerhin ein paar Getreue um mich zu scharen, dann würde mein (wohlbemerkt immer noch 'wahres') Wissen zu einer (immer noch unwissenschaftlichen) Sektenlehre; und falls unter den Adepten die Sektierer die Oberhand gewännen, dann würde eine Geheimlehre nur für die Auserwählten daraus. Und wohlbemerkt: Alles, was sie wüssten, wäre immer noch 'wahr'. Nur zu Wissenschaft würde es nimmermehr...

Bei den alten Griechen bildeten die Pythagoreer so eine Sekte. Man hat nie erfahren, was dort im Besonderen gelehrt wurde. Ich will nicht sagen, dass das historisch irgendwie wahrscheinlich wäre - aber logisch auszuschließen ist es nicht, dass das 'alles wahr gewesen' ist.

(Ich kann von Glück reden, dass sich meine Philosophierungen der Sache nach so wenig zu einer Geheimlehre eignen!)

Hmm, privates Wissen, das es mangels Öffentlichkeit nicht zur Wissenschaft schafft?! Ist es zulässig Wissenschaft von seiner Verbreitung bzw. Akzeptanz abhängig zu machen?

"Akzeptanz"? Um Himmels willen, nein!

Nicht, weil Schulz und Meier sich auf irgendwas ('Konsensfähiges') "verständigt" hätten, entsteht Wissenschaft; sondern weil in der Öffentlichkeit die Überprüfung der Gründe verallgemeinert und eo ipso radikalisiert  ist - so dass sie jedes Mal bis an die 'Wurzel' (lat. radix) geht. Da wird dann keiner mehr gefragt, ob er irgendwas "akzeptieren" mag. Sondern das, was der verallgmeinerten Prüfung standgehalten hat, gilt (einstweilen definitiv). Wer's nicht "akzeptiert", bleibt als 'Privatmann' zurück (gr.Privatmann: idiôtês).

Bekanntlich sind übrigens die Wissenschaftler heute wie je eine ganz kleine Minderheit in einem Meer von Privatleuten. Weil aber im Jahrhunderte langen Prozess der Veröffentlichung des Wissens sich 'Wissenschaft' zu einer gesellschaftlichen Instanz ausgebildet hat, will auch unter den Privatleuten keiner mehr gern ein Idiot sein; und darum hat das Wort der Wissenschaft gesellschaftliche Autorität. Weil und solange der Prozess der verallgemeinerten Überprüfung niemals abgeschnitten wird.

...Überhaupt gefällt mir der Ansatz immer weniger, ich glaube. eine soziologische Beschreibung der Wissenschaft, nichts anderes liegt hier vor, ist ungünstig.

Soziologisch wäre meine Sicht, wenn es sich beim Prozess der öffentlichen Kritik um eine Akkumulation von Stoff, um ein Tauschgeschäft oder um die Ermittlung eines Durchschnitts handeln würde. Es ist aber ein Vorgang der Reduktion. Das ist ein logisches Geschehen. 

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