Freitag, 13. Juni 2014

Dogmatismus.


Rolf Handke, pixelio.de

Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntnis, als Wissenschaft, entgegengesetzt (denn diese muß jederzeit dogmatisch, d.i. aus sicheren Prinzipien a priori strenge beweisend sein), sondern dem Dogmatism, d.i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen (der philosophischen), nach Prinzipien, so wie sie die Vernunft längst im Gebrauche hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelanget ist, allein fortzukommen. Dogmatism ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens.

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Kant, Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur II. Auflage, [B XXXVI]



Nota.

Dass die Realwissenschaften 'dogmatisch' verfahren, nämlich vieles (einstweilen) als gesichert voraussetzen müssen, steht außer Frage. Und nach vollendeter Kritik, nämlich wenn alle Fehlschlüsse, die sich aus dem 'dogmatistischen' Gebrauch der reinen Vernunft ergeben mögen, ausgeräumt sind  -  meint Kant -, könne auch die Metaphysik dogmatisch vor- und von gesichertem Grund ausgehen. Tatsächlich hat er diesen Versuch auch in dem unvollendeten Opus postumum unternommen; ist aber dauernd auf der Stelle getreten: Denn wann ist die Kritik "vollendet"?! So ist er folgerichtig immer wieder selbst auf den Titel dieser seiner letzten Arbeit zurückge- kommen; seine letzte Formulierung (und fast das Letzte, was er überhaupt zu Papier gebracht hat) lautete: Philosophie als Wissenschaftslehre, in einem vollständigen System aufgestellt. (1. Convolut, XII. Bogen).*
JE 

*) Lassen Sie sich von der frühen Stellung dieses Eintrags in der AkademieAusgabe nicht irritieren; sie ist nicht chronologisch geordnet.

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