Samstag, 28. Februar 2015

Bedeutung.




Bedeutung ist dasjenige von hinten, was von vorn Absicht ist.*
Bedeutung ist die Scheidemünze dessen, was in großen Scheinen Sinn des Lebens heißt.
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*) Im Latein der Scholastiker hieß beides intentio.

6. 11. 09







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Freitag, 27. Februar 2015

Proprium humanum.

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Die Besonderheit des Menschen ist es nicht, dass für ihn die Dinge neben ihrem Dasein in Raum und Zeit auch noch eine Bedeutung haben – das haben sie für die Tiere auch. Sondern dass er beides unterscheiden kann – und so die Bedeutung jenseits von Raum und Zeit und übersinnlich erscheint.

 •Januar 12, 2009 








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Donnerstag, 26. Februar 2015

Reflexion heißt Absicht.

Spiegelung in Baby-Auge

Wir nehmen keine Erscheinungen wahr. Wir nehmen keine Bedeutungen wahr. Wir nehmen Dieses oder Das wahr. Was ist Dies oder Das? Eine Erscheinung, die etwas bedeutet. Könnte sie mir nichts bedeuten, würde sie mir nicht erscheinen.*

Die Unterscheidung geschieht nicht in der Anschauung, sondern in der Reflexion. Wahrnehmung ist das Pro- dukt beider. Die Reflexion rechnet auf eine Bedeutung. Wenn sie keine erkennen kann, fragt sie; sogar, wenn sie döst. Reflexion ist Absicht.

Bis sie in Diesem oder Jenem ein 'Ding' erkennt, hat sie noch tüchtig zu tun.

April 20, 2009

*) Der von Schiller so genannte ästhetische Zustand entsteht bei einem absichtsvollen Absehen von aller Bedeu- tung. Er wird möglich durch Bildung und entstand ursprünglich wohl aus dem Befremden. Er ist ein ge- wünschtes und gesuchtes Befremden.


Nota. - Absehen auf das eine heißt absehen von allem andern. Reflektieren und Abstrahieren sind dasselbe - jeweils von hinten und vorn.






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Mittwoch, 25. Februar 2015

Ich weiß nur…

pythagoras …das, was ich einem Andern zwingend beweisen kann. Alles andere nehme ich nur an, wenn auch vielleicht mit größt möglicher Gewissheit. Die Annahme einer Intelligenz außer mir ist nicht erst eine empirische, sondern schon eine logische Voraussetzung der Vernunft.

PythagorasTree
 •Juli 20, 2009










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Dienstag, 24. Februar 2015

‘Symbolnetz' - Wie Sprache entsteht.

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aus Neue Zürcher Zeitung, 25. 5. 2009

Sprachwerdung – Wie die Wissenschaftler der Geburt menschlicher Sprache nachspüren 

von Gottfried Schatz 

Nichts adelt uns Menschen mehr als die Fähigkeit zur Sprache. Sie fehlt selbst unserem nächsten biologischen Verwandten, dem Schimpansen, dessen Laute stereotyp und angeboren sind. Manche Singvögel lernen zwar ihren Gesang von den Eltern und können ihn sogar individuell gestalten, doch nichts spricht dafür, dass sie mit ihm komplexe oder gar abstrakte Gedanken vermitteln. Auf unserem Weg zur Menschwerdung war das Werden von Sprache der bisher letzte und grossartigste Höhepunkt.


Ein Dorf und eine Schule

Doch wie begannen wir zu sprechen? Lange schien es unmöglich, diese Frage zu beantworten, da Sprachen meist vor Jahrtausenden entstanden und keine versteinerten Fossilien hinterliessen. Viele Forscher vermuten seit langem, dass Sprache ein Kind der Gestik ist, die mit Arm- und Handzeichen begann, dann das Gesicht mit einbezog und schliesslich Gesichtsausdrücke durch Mund- und Kehlkopflaute «verinnerlichte». Diese Vermutung wird nun durch Beobachtungen gestützt, die unterschiedlicher nicht sein könnten und eindrücklich die Einheit aller Wissenschaft zeigen.


gebärdensprach

Einer dieser Hinweise kam aus einem Beduinendorf in der Negevwüste Israels. Fast alle der etwa dreitausendfünfhundert Dorfbewohner entstammen einer einheimischen Al-Sayyid-Beduinin und einem ägyptischen Zuwanderer, die vor zweihundert Jahren die Dorfgemeinschaft gründeten und ihr eine Erbanlage für Gehörlosigkeit bescherten. Und da Inzucht im Dorf die Regel war, gab es nach etwa vier Generationen bereits viele Gehörlose. Heute, nach drei weiteren Generationen, sind etwa hundertfünfzig Dorfbewohner gehörlos und verständigen sich nicht nur untereinander, sondern auch mit ihren anderen Dorfgenossen in einer Gebärdensprache, die jeder im Dorf beherrscht und Gehörlose vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft sein lässt.

Die «Al-Sayyid-Gebärdensprache» entstand also vor etwa siebzig Jahren und entwickelte im Verlauf von nur einer Generation einen reichen Wortschatz und eine eigene Grammatik, die sich von der Grammatik der in Israel gelehrten Gebärdensprache und der Regionalsprachen Arabisch und Hebräisch unterscheidet. Da aber für Menschen Sprache nicht nur Werk-, sondern auch Spielzeug ist, verändern die Dorfbewohner ihre Gebärdensprache ohne Unterlass, wobei vor allem Kinder als treibende Kraft wirken. Jede der drei noch lebenden Generationen «spricht» die Gebärdensprache also leicht anders – und die jüngste Generation spricht sie doppelt so schnell wie die älteste und verwendet auch komplexere Sätze. Die Geburt und die Entwicklungsstufen dieser jungen Sprache sind also wie in einer freiliegenden geologischen Verwerfung klar erkennbar.


gebärdensprache

Ein normal intelligentes Menschenkind erlernt mühelos selbst mehrere Sprachen. Und wenn einem gehörlosen Kind Lehrmeister fehlen, erfindet es seine eigene Gebärdensprache, um sich anderen mitzuteilen. Diese individuellen Gebärdensprachen sind jedoch nicht entwicklungsfähig, da ihnen die Wechselwirkung mit einer «gleichsprachigen» Gemeinschaft fehlt. Als jedoch Nicaragua nach der Revolution von 1979 Hunderte von gehörlosen Kindern zum ersten Mal in eigenen Schulen zusammenführte, erfanden die Kinder in nur wenigen Jahren ihre eigene Gebärdensprache. Sie entwickelte sich ohne Zutun der Lehrer gewissermassen aus dem Nichts und gewann laufend an Komplexität, weil die Kinder sie von ihren älteren Kameraden lernten und dann auch später untereinander verkehrten. Lokale Gebärdensprachen haben sich in mehreren isolierten afrikanischen und asiatischen Dörfern entwickelt, in denen Gehörlosigkeit endemisch war. Sie sind Fenster, die uns die Geburt einer Sprache beobachten lassen. – Welche Gene steuern eine solche Geburt, und wie haben sich diese Gene während der Entwicklung des modernen Menschen verändert? Erste Antworten lieferten Untersuchungen an einer britisch-pakistanischen Familie, in der jedes zweite Mitglied grosse Mühe hat, verständlich zu sprechen, Gesprochenes zu verstehen oder nachzuahmen und den Gesichtsausdruck zu kontrollieren.

Ein Gen

Der Erbgang dieser Krankheit sprach dafür, dass sie den Ausfall eines einzigen Gens widerspiegelte. Forscher spürten dieses Gen auf und tauften es «FOXP2». Obwohl jede Körperzelle von ihm zwei Kopien besitzt, genügt der Ausfall von nur einer, um die Krankheit auszulösen. Das Gen koordiniert die Aktivität von Hunderten, vielleicht sogar von Tausenden anderer Gene und sichert so die geordnete Entwicklung komplexer Lebewesen. Es findet sich in fast identischer Form auch in Affen und Mäusen, hat sich also im Verlauf von vielen hundert Millionen Jahren nur sehr wenig verändert. Doch nachdem vor etwa sechs bis sieben Millionen Jahren in Afrika unsere ersten menschenähnlichen Vorfahren aufgetreten waren, veränderte sich deren FOXP2-Gen an zwei wichtigen Stellen und gewann so wahrscheinlich zusätzliche Funktionen.


Gesichtsausdruck

Vor einer halben Million Jahren war diese neue Genvariante bereits fester Bestandteil des Erbgutes aller modernen Menschen. Könnte es sein, dass diese ihren beispiellosen Erfolg auch ihrem veränderten FOXP2-Gen und der von ihm geförderten Entwicklung einer komplexen Sprache verdanken? Das Gen ist besonders in den Hirnregionen aktiv, die Sprache, Grammatik, Kontrolle der Gesichts- und Mundmuskeln und die Fähigkeit zu Nachahmung betreuen. Es ist für die Entwicklung des Sprechens zwar unerlässlich, aber dennoch kein spezifisches «Sprachgen», da es auch für die Entwicklung von Lunge, Darm oder Herz wichtig ist. Wahrscheinlich ist es nur eines von vielen Genen, die uns die anatomischen und neurologischen Voraussetzungen für Sprechfähigkeit und Sprache schenken. Leider wissen wir noch nicht, ob es auch für die spontane Entwicklung oder Beherrschung einer Gebärdensprache notwendig ist. Untersuchungen zur Rolle dieses Gens und zur Entwicklung neuer Gebärdensprachen versprechen uns faszinierende Einblicke in das Werden menschlicher Sprache.

Ich fühle das Wunder dieses Werdens, wenn ich meinem kleinen Enkel das Wort «Opa» vorspreche, er mit höchster Anspannung zuhört – und dann mit einem Baby-Gurgeln antwortet, das jede Woche mehr wie «Opa» klingt. Wann wird er wohl den ersten Kinderreim nachsprechen? Diese Momente zeigen mir ebenso eindrücklich wie die spontane Entwicklung einer Gebärdensprache in den Sonderschulen Nicaraguas, wie wichtig menschliche Gemeinschaft für die Entwicklung einer differenzierten Sprache ist.

Eine solche Sprache ist aber auch Voraussetzung für jede dauerhafte menschliche Gemeinschaft, weil sie uns abstrakt denken und Wissen und Wertvorstellungen an nachfolgende Generation weitergeben lässt. So gesehen sind selbst die Werke unserer Dichter und Philosophen letztlich Gemeinschaftswerke. Das komplexe Band, das mich mit meinem Enkel im Drang nach Sprache und Gemeinsamkeit vereint, ist aus den Fäden unserer Gene gewirkt. FOXP2 ist nur eines von vielen. Wenn wir einmal alle diese Gene kennen, werden wir vor der grossen Frage stehen, wie dieser Drang in ihnen verschlüsselt ist.


zz. Gottfried Schatz, als Biochemiker eine internationale Kapazität, ist emeritierter Professor der Universität Basel. – «What is Life?», fragte Erwin Schrödinger in einem 1944 erstmals gedruckten und noch immer lesenswerten Büchlein. Nicht zuletzt von dem eminenten Physiker ist unser Autor inspiriert worden, sich Fragen zuzuwenden, die manche Grenze überschreiten, auch die zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. Solche Fragen greift Gottfried Schatz in Essays auf, die in lockerer Folge an dieser Stelle erscheinen. Die erste Staffel der Artikel ist inzwischen in Buchform unter dem Titel «Jenseits der Gene» (Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2008) erhältlich. – Vor wenigen Tagen hat Gottfried Schatz das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen bekommen.

Montag, 23. Februar 2015

Sprache kommt vom Sprechen.


Hand und Mund

1. Der Mensch kann nicht nur die Bedeutungen vorgegebener Symbole verstehen, sondern selber neue hinzu erfinden – weil er muss. Darauf beruht seine gattungseigne Existenzweise. Der Kreis verfügbarer Symbole muss ständig erweitert werden, weil stets neue Bedeutungen hinzu kommen. 

2. Dafür war erforderlich, dass die Bedeutungen nicht in gegenständlichen, sondern in lautlichen Zeichen symbolisiert wurden. Denn nur so reicht es aus, dass sie nicht jederzeit an jedem Ort zur Hand, sondern lediglich zu Munde sind; nicht als Ding in Raum und Zeit, sondern lediglich als neuronale Verschaltung im Hirn gespeichert werden. 

3. Das ist drittens die Bedingung für die grammatische Struktur der Menschensprachen. Die Symbole und ihre Bedeutungen müssen nicht bloß nebeneinander gestellt, sondern können zu jeder Zeit in modo operandi gebeugt werden. Die Bedeutungen werden nicht addiert, sondern hierarchisch – S/P/O – aufeinander bezogen. Der Satz ist keine Summe von vorhandenen Stücken, sondern selbst ein qualitativ neues Stück: ein Komplex, eine Bedeutung sui generis. 

 •November 12, 2009 









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Sonntag, 22. Februar 2015

Das Mystische, oder: Die Sprache kann das Unmittelbare nicht aussagen.





"In der Sprache liegt die Reflexion, und darum kann die Sprache das Un- mittelbare nicht aussagen. Die Sprache tötet das Unmittelbare… Das Un- mittelbare ist nämlich das Unbestimmbare, und darum kann die Sprache es nicht auffassen; dass es aber das Unbestimmbare ist, ist nicht seine Voll- kommenheit, sondern ein Mangel an ihm."
Sören Kierkegaard, Entweder-Oder,
München 1975, S. 85

Und schon klingt es in meinen Ohren: "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt! Alles, was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aus- sprechen! Wovon man nicht sprechen kann, davon soll man schweigen!"

Dem hat ein kluger Kopf ein für allemal entgegenge- halten: "Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich. Es ist das Mystische." 
Ludwig Wittgenstein, Tractatus, 6.522

Das Unmittelbare oder, wenn man so will, das Bloße Sein ist allerdings das Mysti- sche, weil es nicht aus Bestandteilen zusammengesetzt ist, in die es sich wieder zer- legen (und mit Wörtern auszeichnen) ließe.

Was ich damit anfangen will, das könnte – und sollte ich vernünftiger Weise – 'entwerfen' und in klare Gedan- ken fassen, die sich 'klar aussprechen' lassen. Das ist ein Mangel an dem Unmittelbaren, da hat Kierkegaard wohl Recht, dass es das mystisch Unbestimmbare ist, nämlich solange ich noch nichts damit angefangen habe. Wenn es denn ein Mangel am Grund ist, dass er früher 'da' war als die Folge – aber eben noch kein Grund.




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Samstag, 21. Februar 2015

‘Das Bewusstsein ist grammatikalisch verfasst.’


Lothar Sauer

Wann immer vom Menschen als von einem seiner-selbst-Bewussten die Rede ist, wird der Mensch als ein Handelnder stillschweigend vorausgesetzt. Der Satz 'das menschliche Bewusstsein ist seiner Natur nach gram- matikalisch strukturiert' ist ein Quidproquo; alias gequirlter Mist. Nur weil der Mensch vorab die Fähigkeit ent- wickelt hat, sich auf Etwas zu richten, konnte es ihm einfallen, dafür eine Mitteilungsform für solche zu suchen, die ihm dabei helfen oder ihn dabei behindern können. Eine Mitteilungsform also, in der nicht eine 'Informa- tion' gleich wichtig und gleich wertig neben der andern steht, sondern das eine über das andere gesetzt wird. In den Hierarchien der Grammatik wird die Gerichtetheit der Handlungen ausgesagt.

23. 1. 2010



Freitag, 20. Februar 2015

Wie Einbildungskraft zur Vernunft kommt.



Zur Vernunft wird die Einbildungskraft in dem Maße, wie ihre Produkte sich mit den Produkten der Einbil- dungskraft der 'Reihe vernünftiger Wesen' zu einer Welt vergesellschaften; nicht kumulativ ansammeln, sondern reduktiv vereinigen. 

Aber ob oder ob nicht, weiß man erst nachher; es muss sich erweisen.



Donnerstag, 19. Februar 2015

Conditio humana.


Holbein d. J., Kaufmann Georg Gisze

Die Conditio humana beruht auf diesem einen: Der Mensch muss urteilen. Urteilen heißt, über die Bedeu- tungen befinden. Einem Ding eine Bedeutung zuerkennen ist: urteilen, dass eines, das erscheint, einem unterliegt, das gilt. Geltung ist dasjenige 'an' den Erscheinungen, das zum Bestimmungsgrund für mein Handeln wird. Handeln und Urteilen sind Wechselbegriffe. Handeln heißt nicht bloß, etwas tun - das tut das Tier auch; sondern: einen Grund dafür haben. Der Mensch muss handeln und Der Mensch muss urteilen bedeuten dasselbe.

aus e. Notizbuch, 9. 9. 2003

Mittwoch, 18. Februar 2015

Fichtes zwiespältiges Verhältnis zur Vernunft.

Стариков

Fichtes philosophische Laufbahn zerfällt - das ist das treffende Wort - in die ursprüngliche Wissenschaftslehre, die als echter durchgeführter Kritizismus die Kant'sche Transzendentalphilosphie vollenden sollte, und eine transzendentaldogmatische Hybride, die er nach dem Atheismusstreit gelehrt hat. Das Kuriosum: Er hat bis ans Lebensende darauf bestanden, allezeit Dasselbe vertreten zu haben. Und tatsächlich findet man in seinem Werk keine Stelle, wo er an dem entscheidenden Punkt - dem realen Absoluten - einfach kehrtgemacht hätte. So dass zu vermuten ist, der Ansatz zur späteren dogmatischen Wende sei in der ursprünglichen, transzendentalen Wissenschaftslehre irgendwo bereits angelegt gewesen.

Dem Antiaufklärer und Glaubensphilosophen Friedrich Heinrich Jacobi kommt das Verdienst zu, den Finger haargenau auf den wunden Punkt gelegt zu haben: Es war seine Auffassung von der Vernunft, die Fichte gegen die Einrede des Dogmatikers wehrlos gemacht hat. Richtiger gesagt, es war der Mangel an einer Auffassung der Vernunft, denn er hatte deren zwei zur selben Zeit. Und da er es - unbegreiflicher Weise - nicht bemerkte, musste er sich nicht "aus Freiheit" zwischen ihnen entscheiden. So konnte ihm die Entscheidung von Jacobi eingeredet werden.

Auf dieser Seite finden sie Fichtes Schwanken durch eine Reihe von 'Stellen' dokumentiert. Es wird Ihnen auffallen, dass eine 'Stelle' des Inhalts: Was ist die Vernunft und wo kommt sie her? fehlt. So eine Stelle gibt es bei Fichte nicht. Die Vernunft ist der einzige thematisch und in systematischer Absicht gebrauchte Begriff, den Fichte nicht aus dem (dreifachen) Grundsatz der Wissenschaftslehre herleitet. Er macht zwar jede Menge Angaben über die Vernunft, aber sie selbst macht er nicht zum Gegenstand. Nun würde es schwerfallen, von der Vernunft zu reden, ohne sich ihrer bereits zu bedienen; aber was taugte die Transzendentalphilosophie, wenn sie damit nicht zurechtkäme?

Lesen Sie weiter: 



Dienstag, 17. Februar 2015

Als ob sie ewig gälten.

Hamburg, Schauspielhaus

Jedesmal, wenn ich urteile, handle ich so, als ob die Gründe für mein Urteil schon da gewesen wären, bevor ich sie in Anspruch genommen habe. Und wenn ich sie denken will, kann ich sie gar nicht anders denken. Gelten-an-sich, außerhalb von Raum und Zeit, lässt sich nur denken. Es ist ein reiner Denkakt, sonst nichts.

Quatsch. Sie lassen sich nicht denken; ich denke lediglich, dass... . Aber sie selber denke ich nicht.

aus e. Notizbuch, 17. 9. 03






Montag, 16. Februar 2015

Die ästhetische Idee schlechthin.



Der Gedanke eines Wahren, Absoluten, das an sich, vor jedweder Bestimmung in Raum und Zeit, gilt (immer schon gegolten hat), ist eine ästhetische Idee.* Es ist, recht besehen, die ästhetische Idee schlechthin, die in alle späteren Bestimmungen in Raum und Zeit vorgängig hineingreift und von der ich erst durch eine Anstrengung des reflektierenden Verstandes abstrahieren kann. 

Ich kann sie aber erst "herauslesen", weil ich sie vorab hineingedacht habe. Sie ist nicht gegeben, sondern ge- macht (wenn ich auch nichts mehr davon weiß). Sie ist das einzig wahre Apriori, von welchem die transzenden- talen, nämlich qualifizierenden Handlungen meines Denkens lediglich historische Modifikationen sind: Möglich- keit, Wirklichkeit, Notwendigkeit; Kausalität (die Vorstellung des Bewirkens); auch die Anschauungsformen Raum und Zeit. Der Beweis: Sie lassen sich weder messen noch demonstrieren. Wer nicht weiß, was gemeint ist, dem kann man sie nicht erklären.

Aber wie das 'Ich', so ist das Absolute immer nur in dem und durch den Akt (des Urteilens) - weder vorher noch nachher; aber durch den Akt das eine nicht ohne das andere: der Urteilende nicht ohne den Grund.

aus e. Notizbuch, Anf. Sept. 03



*) eine, die keinem Zweck dient, sondern sich selber Zweck ist. 







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Sonntag, 15. Februar 2015

Fortschritt philosophisch.



TU Berlin: „Fortschritt als Signatur der Neuzeit“

Stefanie Terp
Stabsstelle Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Alumni
Technische Universität Berlin

Internationales Symposium des Forschungsnetzwerkes „Transzendentalphilosophie/Deutscher Idealismus“ vom 18. bis 20. Februar 2015 an der TU Berlin

Der Begriff „Fortschritt“ ist allgegenwärtig, sei es als Forderung oder als Gegenstand der Kritik: Vom Fortschritt der Wissenschaft ist die Rede, der Gesellschaft, der Politik, des Rechts, selbst vom Fortschritt der Kunst wird gesprochen. Besonders augenfällig aber ist Fortschritt in Gestalt der Technik, die geradezu zum Synonym für Fortschritt geworden ist. In dem Maße, in dem technischer Fortschritt mit der Vorstellung von Herrschaft und Macht verknüpft ist, wird er gar zu einem politischen Argument und Machtinstrument. Mit dem „Fortschritt als Signatur der Neuzeit“ beschäftigt sich die 12. Jahrestagung des Forschungsnetzwerkes „Transzentalphilosophie/Deutscher Idealismus“.

Wir möchten Sie herzlich dazu einladen. Das Symposium ist öffentlich. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Zeit: 18. Februar, 9.30 bis 20. Februar 2015, 18.30 Uhr
Ort: TU Berlin, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin,
Hauptgebäude, Raum H 2037

Das Programm finden Sie unter: www.a-priori.eu/node/700.

Abendvortrag am 19. Februar 2015, 18 Uhr

Wir möchten Sie besonders auf den Abendvortrag von Prof. Dr. Walther Ch. Zimmerli hinweisen: „Fortschritt als transzententales Konstrukt. Die klassische deutsche Philosophie an der Schwelle zur technologischen Zivilisation“. Seit Mai 2013 ist Prof. Zimmerli Associate Fellow des Collegium Helveticum der ETH Zürich und seit Oktober 2013 Stiftungsprofessor für Geist und Technologie an der Humboldt Universität zu Berlin.

Bitte weisen Sie in Ihrem Medium auf das Symposium hin.

Die Philosophie hat ein besonderes Verhältnis zum Fortschritt: Zum einen hat sie die Entstehung des Begriffs bestimmt. Zum anderen tut sie sich selbst mit dem Fortschritt schwer. Einerseits ist ihre Geschichte vom Versuch geprägt, ihr durch Methodisierung zu einem sichereren Fortgang zu verhelfen, andererseits haben diese Versuche auch zu Kritik und Krise der Philosophie geführt. Durch diese grundlegende Funktion des Begriffs und die Allgegenwart seiner Erscheinungsformen bleibt die Frage nach dem Grund des Fortschritts ein dringendes Anliegen. Dies gilt umso mehr, da eine kritische Untersuchung des Fortschrittsdenkens mit grundlegenden Fragen der Philosophie verknüpft ist.

Dass dieser Versuch schon oft unternommen wurde, zeugt vom Gewicht der Fortschrittsfrage. Dass diese nicht zureichend behandelt werden kann, liegt im Begriff des Fortschritts selbst begründet: In der Aufklärung wird „Fortschritt“ als Gegenkonzept geschichtlicher Kontingenz gedacht; Moderne und Postmoderne hingegen geht nicht nur die Möglichkeit verloren, allgemein verbindliche Ziele zu formulieren, sondern der Anspruch auf die Frage selbst gerät unter Ideologieverdacht.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Simon Gabriel Neuffer
TU Berlin
Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte
neuffer@tu-berlin.de
www.a-priori.eu/node/700




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Samstag, 14. Februar 2015

Die Frage ist selber die Antwort.


Lothar Sauer

Wir stehen nicht vor der Frage, ob es das Wahre gibt. Wir haben vielmehr dies Problem: Wenn es das Wahre nicht gäbe, dann wäre alles, was wir tun, letztlich ohne Sinn. Oder anders - der Ausdruck Das Wahre steht überhaupt nur als Kürzel für 'das, was unserm Leben einen Sinn geben kann'. Die Frage, ob es für unser Tun und Lassen einen Sinn gibt, ist wohlbemerkt nicht möglich. Denn die Antwort wäre in jedem Fall, auch im negativen,* sinnvoll. Wer weiß, was ein Sinn sein könnte, kann nicht mehr fragen, ob es einen Sinn gibt. Mit andern Worten, die Frage bedeutet schon, dass mit der Lösung begonnen wurde.

Vieles spricht allerdings dafür, dass - andersrum - die Lösung immer wieder nur in der Frage selbst besteht. Trivial gesprochen: Der Sinn des Lebens besteht darin, dass du nach ihm fragst.

aus e. Notizbuch, 20. 8. 03

*) Dann bestünde der Sinn meines Lebens in Stoffwechsel und Fortpflanzung.




Freitag, 13. Februar 2015

Geltend machen.



Das Wahre - Absolute, Unbedingte - ist schlechterdings nichts Wirkliches. Wirklich kann es werden im Akt des Urteilens, in dem ich es geltend mache.

aus e. Notizbuch, 30. 8. 03


Die "Gegebenheits"-Weise des Wahren ist Geltung. Es bezieht sich nicht auf Dinge, sondern auf Urteile, eigentlich: auf deren Gründe. Was könnte das bedeuten: 'Der Baum ist wahr'? Oder 'ist absolut'? Er ist wirklich, das ist mehr. Was wahr ist, ist nicht da, ist nicht gegeben, sondern kann wirklich werden in einem Handeln, das es begründet. 

Nur so wird übrigens auch der Baum erst wirklich wirklich: dass er jemandem als ein solcher gilt. (Für die Biene ist er nur etwas, woran eine Blüte ist.)







Donnerstag, 12. Februar 2015

Das Absolute ist bloß fingiert.



Das Absolute ist bloß fingiert. Aber es ist als absolut fingiert. Mehr ist nicht zu haben, und weniger bräuchte man nicht zu fingieren.

aus e. Notizbuch, 30. 8. 03







Mittwoch, 11. Februar 2015

Jedem sein eigenes Absolutes.


Göbekli Tepe

Ein Absolutes, auf das man sich einigen konnte, erweist sich ipso facto als ein Relatives.

aus e. Notizbuch, 8. 9. 03








Dienstag, 10. Februar 2015

Der Plan der Natur.



Wir haben uns im Laufe unserer Stammesgeschichte darauf eingestellt, dass wir etwas tun müssen, wenn wir wollen, dass etwas geschieht. So gewöhnten wir uns zu glauben, wenn etwas geschieht, müsse es gewollt worden sein: Das ist das ganze Geheimnis der "Kausalität". Es ist die gattungsmäßig angelegte Fiktion von einem "Plan der Natur".

aus e. Notizbuch, 28. 8. 03









Montag, 9. Februar 2015

Vernunft ist eine Wette, die man verlieren kann.



Wenn Vernunft sein soll, dann muss es Wahrheit (Ansich, e. Absolutes) geben. Anders: Wenn nicht ein Absolutes konstruierbar ist, dann muss man auf Vernunft verzichten.

Unterschied zu aller dogmatischen Philosophie: dass der 'Grund' nicht dem Wissen voraus gesetzt ist, sondern im Wissensakt selbst konstituiert wird; das Wissen sich seinen Grund 'als' ihm vorausgesetzt 'setzt': terminus a quo, nicht terminus ad quem; setzt 'als' zu-Realisierendes.

aus e. Notizbuch, 3. 9. 03






Sonntag, 8. Februar 2015

Schnitzer.

Lothar Sauer

Das Schreiben für ein Blog im Internet hat seine eigenen Gesetze. Sie müssen eher kurze als lange Texte ver- fassen, das ist klar. Und die Versuchung ist groß, Gedanken in die Welt zu schicken, bevor sie ausgereift sind. Das hat für den Schreiber und für den Leser aber einen eigenen Charme: Unausgegorenes Zeug hat einen pikanten Geschmack und kann sehr anregend sein.

Das gilt aber nicht für reine Schnitzer. Die sind eine Plage, und dass Sie sie nachträglich korrigieren müssen, wenn Sie welche finden, führt dazu, dass Texte aus dem Internet nicht zitierbar sind. Aber der Modus schreiben - klicken - posten, sobald Sie einen guten Schluss gefunden haben, provoziert Schnitzer regelrecht. Natürlich lesen Sie vor dem Klicken alles nochmal durch. Aber das Korrekturlesen für den Druck entfällt, und das war eine Schikane, die Sie zwang, nach Schnitzern zu suchen - nämlich mit den Augen von einem zu lesen, der Sie miss- verstehen will. 

Das betraf nicht nur stilistische, sondern erst recht gedankliche Schnitzer... 

Denken Sie also nicht, das Bloggen wäre eine bequeme Sache; es ist riskant, und wenn ich irgendwo akade- misch gebunden wäre, könnte ich es mir gar nicht leisten.





Samstag, 7. Februar 2015

Die transzendentale Problematik.



Dass es die Welt wirklich gibt, versteht sich von selbst. Jede andere Annahme wäre, et je pèse mes mots, idiotisch; denn sie war eher da als sich.

Aber dass sie selbstverständlich ist, ist der wunde Punkt der Welt: Sie lässt sich nicht begründen noch bewei- sen. Man kann an sie nur glauben.

Da meldet sich mein Verstand: Ich weiß, was ich weiß, und das lässt sich begründen. Ich glaube nichts!

Das ist die transzendentale Problematik: Mein Wissen beruht auf mir, die Welt nicht; aber anders als in meinem Wissen kommt sie nicht vor.






Donnerstag, 5. Februar 2015

Wenn die Welt erkennbar sein soll.


daniel stricker  / pixelio.de 

Wenn in dem beständigen Flusse aller Dinge nichts Festes, Ewiges beharrte, würde die Erkennbarkeit der Welt aufhören und Alles in Verwirrung stürzen.
_______________________________________________
Gottlob Frege, Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch-
mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. 
Breslau 1884, Vorwort, S. VII


Nota. - Richtig musste es heißen: Damit die Welt erkennbar wird und nicht Alles in Verwirrung bleibt, müssen wir ihr etwas Festes, Ewiges, Beharrendes voraussetzen.
JE




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. 

Mittwoch, 4. Februar 2015

Der Begriff passt nirgends richtig.



Worauf der Begriff passt, darauf passt er immer, sonst war er kein Begriff. Was man so ansehen kann, aber auch anders, worauf also mal dieser und mal jener Begriff passt, auf das passt keiner.

Das ist aber der Fall bei fast allem, das im Leben vorkommt, und vor allem: bei allem, was in unserer Vorstellung vorkommt. - Was bleibt dann noch übrig? Eigentlich nichts. Mit andern Worten: Eigentlich passen Begriffe auf nichts, oder richtiger: Begriffe passen auf nichts eigentlich. Immer nur uneigentlich, immer nur einstweilen, immer nur vorübergehend. 

Ein Begriff ist gar kein Schlüssel. Eher eine Kneifzange oder ein Brecheisen.


Dienstag, 3. Februar 2015

Binsenwahrheiten.



Alle höchsten Wahrheiten aller Art sind durchaus trivial, und ebendarum ist nichts notwendiger, als sie immer neu und womöglich paradoxer auszudrücken, damit nicht vergessen wird, dass sie noch da sind und dass sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden können.
_____________________________________________
Friedrich Schlegel, Über die Unverständlichkeit




Montag, 2. Februar 2015

Klugheit und Anstand.


F. X. Messerschmidt, Einfalt

Kluge Leute gibt's genug; an anständigen mangelt es. Und solange die Volksmeinung dahin geht, anständige Leute könnten nicht besonders klug sein, wird es an Anständigen fehlen und nicht an Klugen.

Du fragst mich, was anständig ist? Frag dich selbst, du fragst mich ja auch nicht, was klug ist.



Sonntag, 1. Februar 2015

Bedeutungen behält man besser.


Mondrian

Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. 

Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzu- verleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. 

Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können.

____________________________________________________________
Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher Heft J, N° 392


Nota. - Er identifiziert Sinn mit Ordnung. Das ist nicht falsch: Jede Ordnung bringt in die Erscheinungen einen gewissen Sinn, jeder Sinn bringt eine Ordnung in die Erscheinungen. 

Danach erst kann man die Frage: Welcher Sinn, welche Ordnung? überhaupt stellen.
JE