Mittwoch, 20. Januar 2016

Ist Philosophie ein Fach?


Ob die Philosophie ein Fach ist, mag ich gar nicht entscheiden. Das finge an mit einem Pfennigfuchsen darüber, was man alles dazu zählen will und was nicht, und da bisse sich die Katze in den Schwanz. In zweieinhalb Jahr-tausenden hat sich in Europa – anderswo nicht – eine Tradition der kritischen Reflexion auf das, WAS wir wis-sen, und darauf, WIE wir wissen, ausgebildet. Da haben sich Einsichten angesammelt – selbst wenn man’s bloß kritisch nimmt  –, die nur vielleicht liebenswerte, aber dummfreche Rotznasen ignorieren können, wenn sie sich denn diesen Dingen zuwenden wollen.

Daraus sind an den Universitäten Fakultäten und 'Fachbereiche' hervorgegangen. Dass es ein 'Fach' ist, be-haupten sie gern, um das Monopol zu wahren, das sie seit 150 Jahren darüber haben. Als nichtakademischer Privatmann kann ich das eigentlich nicht gutheißen.

Ich verteidige also nicht die Selbstständigkeit 'der Philosophie'. Ich verteidige die Einzigkeit der Wissenschafts-lehre (in meiner Emendation, versteht sich). Sie ist der harte Kern, der Prüfstein, die Kritik des Wissens, soweit es mehr sein soll als die Sammlung verwertbarer Fakten.

Das Sammeln verwertbarer Fakten dient dazu, das Leben einfacher, bequemer, befriedigender zu führen. Was immer über solche Fragen hinausgeht, läuft früher oder später auf die Eine Frage zu, wohin und wozu man sein Leben führen will. Das nennt man herkömmlich Praktische Philosophie. Um die Wörter geht es ja nicht, Philo-sophie ist kein eingetragenes Warenzeichen. Es geht darum, dass sie nicht wirklich wissenschaftlich, nämlich nicht wirklich kritisch sein können: denn sie wollen – und müssen, wenn sie was taugen sollen – positiv werden und Zwecke behaupten; wenn Sie so wollen, im weitesten Sinn 'politisch'. Das ist nicht Wissenschaft, sondern Meinungs-Kampf.

Gottseidank gibt es die Kritik und die Wissenschaftslehre als den Fels, auf dem sie baut! So haben die mannig-faltigen Meinungen immerhin etwas Gewisses, woran sie sich halten können; wenn schon nicht positiv, so doch negativ: was alles nicht geht.

Der springende Punkt ist aber: Die Wissenschaftslehre ist nicht der Bericht darüber, 'wie das Ich sich konstitu-iert', 'wie das Bewusstsein zustande kommt' und 'welches meine Pflichten sind'. Sie ist ein abstraktes Modell jenseits von Raum und Zeit – Schema, sagt Fichte immer wieder; "ohne alle Erfahrung"  – von einem Bewusst-sein, das vernünftig verfährt. Die Wissenschaftslehre ist das Schema der Vernünftigkeit.

*

Ist es also "rein formal"? "Bloße Methode"? – In der Wissenschaftslehre geht sowas gar nicht. Denkbar wäre es nur, wenn das Materiale – der Stoff oder die autarken Bedeutungspartikel vorgegeben wäre und das Verfahren sich ganz auf deren Verknüpfung beschränken könnte. (So etwas hat Hegel an Schellings dialektischer Triade bemängelt: Das ginge klipp-klapp und ohne Inhalt; während bei ihm der Inhalt des Begriffs seine Bewegung vor-ausbestimmte...) 

Mit andern Worten, wenn als Material der Begriff vorausgesetzt wird. Aber der Begriff ist ein Derivat. Ursprüng-lich war er Vorstellung, und die ist eine Abstraktion von der Tätigkeit 'vorstellen'. Eine Vorstellung 'gibt es', wenn und sofern einer sich etwas vorstellt; sonst nicht. Als Begriff ist sie aus der Tätigkeit herausgerissen und zu einem Dauernden mumifiziert. 

Gegenstand der Wissenschaftslehre ist aber der Gang des Vorstellens selbst. Es ist der Gang vom Bestimmba-ren, weil Unbestimmten oder wenig bestimmten, zum Bestimmteren. Das ist offenbar keine bloß formale Be-stimmung. Das Bedeutungsfeld wird von Schritt zu Schritt enger, aber dichter. Es ist nicht Kombination, son-dern Qualifizierung. Das Verfahren ist der Gehalt, aktual. Für andere darstellen, nämlich so, dass sie's nur nach-lesen müssten, lässt es sich nicht. Man muss schon das Vorstellen selber betreiben, um seiner gewärtig zu werden.

*

Summa summarum – die Wissenschaftslehre ist die ganze Philosophie. Außerdem gibt es nur Kritik.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen