Samstag, 30. April 2016

Vernunft ist unbegreiflich.


Erich Westendarp, pixelio.de

Vernunft ist praktisch. Theoretisch ist sie nicht fassbar, denn dazu müsste sie bedingt* sein. Sie ist aber durch Freiheit möglich.

Sie ist aber auch nicht "unbedingt", das lässt nur der Klang der Wörter vermuten. Denn sie ist gar nicht, sondern geschieht. Nämlich als das Wozu eines Akts. Der wiederum ist durch Freiheit möglich, und wo sie wirkt, entsteht ein Fakt. Ein Fakt ist unbegreiflich.

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*) d. h. durch Begriffe bestimmbar, und das heißt: logisch. Aber das Fassen unter Begriffe muss die Vernunft erst selbst besorgen.





Freitag, 29. April 2016

Kannst du das auch beweisen?




“Behaupten kann jeder”, sagte August Wilhelm Schlegel zu seinem Bruder Friedrich, “aber man muss auch beweisen können.” Nein, entgegnete jener; beweisen kann jeder; behaupten muss man können. 

*



Ob ich das auch beweisen kann?
 
Ich entsage dem Vergnügen, den Beweis zu versuchen, nur schweren Herzens, denn es wäre ein echtes Abenteuer geworden.
 
Ich fange die Frage vielmehr asketisch in einem Meta-Bereich ab und weise sie zurück: Ich war in der Vorhand, und ich habe geliefert. Jetzt sind die andern am Zug. Sie können entweder eine Erklärung vortragen, die meiner überlegen wäre, und ich müsste nachlegen. Oder sie könnten meine Erklärung widerlegen, dann müsste ich beschämt den Mund halten. Bloß eins können sie nicht: Auf einen unmotivierten Nachschlag von mir warten.
 
Ich bestehe auf Einhaltung der Reihenfolge. Eine ungesicherte Erklärung hat einen logisch höheren Rang als keine Erklärung. Sie hat Vorrang vor den faulen feilen Infragestellern.

•Mai 26, 2010




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Donnerstag, 28. April 2016

Bedeutendes von Unbedeutendem unterscheiden.


Geist ist zu allererst das Vermögen, zwischen Bedeutendem und Unbedeutendem zu unterscheiden. Das Tier "kennt" diesen Unterschied nicht. Zwar bedeutet auch dem Tier dieses Etwas und Jenes nichts. Aber was ihm nichts bedeutet, nimmt es gar nicht erst 'wahr'. Das heißt, für es 'gibt es' diesen Unterschied nicht. Seine genetische Ausstattung hat "apriori" den Unterschied immer schon gemacht.

Nicht so für den Menschen. Er muss den Unterschied selber machen.

Es liegt nahe, dass ihm alles, was bleibt, zuerst einmal als bedeutender erscheint als alles, was sich ändert. Aber das kann sich... ändern. Es hängt davon ab, ob in seiner Erlebenswelt die sicheren Situationen vorherrschen oder die unsicheren; zum Beispiel.

aus e. Notizbuch, 28. 8. 08



Mittwoch, 27. April 2016

Weiß ich denn, was Wissen ist?


Ich kann keinem erklären, was Wissen ist, nicht einmal mir selbst. Aber ich weiß es: indem ich Etwas weiß.

aus e. Notizbuch, Anf. Mai 09


Wissen ist ein Handeln, keine Sache. Handelnd kann ich es anschauen, aber nicht begreifen. Begreifen kann ich das Produkt meines Handelns, weil es Nicht(mehr)Ich ist, sondern Objekt: Etwas.

Dez. 2014




Dienstag, 26. April 2016

Der Verruf der Rhetorik begann mit der Gutenberg-Revolution.


https://search.disconnect.me/image?l=aHR0cHM6Ly9lbmNyeXB0ZWQtdGJuMi5nc3RhdGljLmNvbS9pbWFnZXM/cT10Ym46QU5kOUdjVEtwVm9LcDdyU3MyVVUxTnJ3dk50NWp1cUxaSlFlQ25Id3YtVC1rT1EtbnZJU1lpQ3A=Cicero

Dem heutigen Leser ist es befremdlich, dass im antiken Bildungskanon Rhetorik gleichrangig neben Logik und Grammatik stand. Unter Rhetorik versteht er die Kunst, durch geschickte Wortwahl den Hörer für richtig halten zu machen, was falsch ist. Dabei war sie ursprünglich die Kunst, den Hörer genau das verstehen zu lassen, was der Redner gemeint hat; was ein gegebner Redner einem gegebnen Publikum zu verstehen geben wollte. Ihr Kriterium war gar nicht das an sich Richtige, sondern das, was das redende Subjekt gemeint hat.

Das war zu einer Zeit, als an etwas, das objektiver wäre, noch gar nicht zu denken war. Scriptura, "die Schrift", war eo ipso die Heilige: die Bibel gab es in Schriftform, es gab sie überall, wo eine Kirche stand, sie war überall dieselbe, aber nur die Priester der Römischen Kirche konnten sie entziffern und -
 nur sie konnten sie zur Hand nehmen. Allein sie war das Wort, war Maßstab der gesprochenen Wörter. 

Außerhalb der Gelehrtenrepublik und ihrer Korrespondenzen gab es nur das lebendige, das gesprochene Wort. Wie es gesprochen wurde war das aufgegebene und allgegenwärtige Problem. Maßstab war, ob es so verstanden wurde, wie es gemeint war. Die Idee, nach einem Objektivum zu suchen, konnte niemandem einfallen; es sei denn, man hätte einen hierarchisch Oberen herbeigerufen, der von Amts wegen der Wahrheit näher stand - doch auch der hätte sich mündlich mitteilen müssen: rhetorisch.

Am Anfang war das Wort, nämlich das gesprochene Wort. Die Niederschrift war nicht originär, sondern bloß eine Rückversicherung; denn das Gedächtnis kann irren.

Mit der Gutenberg-Revolution hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Was die Worte an sich bedeuten, ist festgehalten in der Schrift, und die ist öffentlich: jedermann zugänglich im gedruckten Buch (oder der Zeitung!), nicht nur dem zufälligen kleinen Kreis der Hörer hier und jetzt. Man wird darüber streiten können, auch noch in kommenden Generationen, man kann sich Zeit lassen und zum Vergleich andere Bücher heranziehen. 

Bedeutung ist nunmehr objektiv. Das geschriebene Wort ist den Umständen von Raum und Zeit entzogen und subjektive Unterschiede im Textverständnis lassen sich im Diskurs ausgleichen. Es kann sogar die Idee aufkommen, die Bedeutung der Wörter ließe sich ihrer alltäglichen Verwendung entziehen und auf einen 'analytisch' freizulegenden Atomkern reduzieren! Und was immer die Rhetorik diesem endgültig identifizierten Sinnkern hinzufügt, kann nur falsch sein. Am besten wäre es, man könnte die Schrift ihrerseits zu mathematischen Symbolen reduzieren...

All das ist eine Errungenschaft des Gutenberg'schen Zeitalters. Es ist die Dialektik der digitalen Revolution, dass sie mit der Zerlegung der Welt in I und 0 zugleich die analogen Bilder und die rhetorischen Blumen zu neuer Blüte treibt. Die Trivialisierung und Profanierung des Geschriebenen, das ursprünglich nur den Heiligen Worten zugedacht war, nährt den Verdacht, dass das, was zu sagen eigentlich wichtig wäre, doch nur in anschaulicher Weise gesagt werden kann.





....


Sonntag, 24. April 2016

Transzendentalphilosophie handelt von Wirklichem.

Daniel Stricker, pixelio.de
 
"Glaubt der Mann, in Anthropologie und Humanbiologie Evidenzen für die Richtigkeit der Transzendental- philosophie zu finden?" schrieb einmal ein kritischer Geist. 

Der Mann war ich.

 Allerdings ist die Klärung des Verhältnisses von Wissenschaftslehre und Anthropologie mein treibendes Thema. Und natürlich, wie könnte es anders sein, geht es um das Ich. Das transzendentale oder absolute Ich – das gedachte Subjekt der Tathandlung – als positive Größe in die Anthropologie einbauen wollen wäre allerdings sinnlos; denn dann bliebe es nicht transzendental, und die ganze Übung wäre für die Katz.

Aber mit dem Ich 'als Idee' sieht es schon anders aus. Denn das stammt nicht aus der Transzendentalphilosophie, sondern aus der Realgeschichte der Mentalitäten. Es war da vor der Wissenschaftslehre. Es ist das autonome Subjekt der bürgerlichen Welt in idealer Gestalt. Genetisch geht die Wissenschaftslehre von der Tathandlung zum Ich als Idee. Aber historisch ist das Ich als Idee das Motiv der ganzen Transzendentalphilosophie. Die Wissen- schaftslehre "soll sein die pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes" – nicht eine Nacherzählung, 'wie es gewesen ist', sondern eine Darstellung, aus der man etwas begreift; nämlich einen Sinn.

Die Frage nach dem Sinn stammt (logisch) allerdings aus der Anthropologie. Nicht Anthropologie und Human- medizin bieten Evidenzen für die Richtigkeit der Transzendentalphilosophie – richtig in Hinsicht worauf? , sondern die Transzendentalphilosophie gibt der Anthropologie den festen, weil kritisch bereinigten Boden, auf dem sie bauen kann.

Und ehrlich muss ich auch sagen anders wäre mir die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Transzendental- philosophie ganz gleichgültig.  

NB. Falls es jemand wissen will: Transzendentalphilosophie und Wissenschaftslehre bedeuten bei mir dasselbe.


2. November 2013

Samstag, 23. April 2016

Weltformel.




Die Suche nach der Weltformel ist die Suche nach dem intelligent design: Würde sie gefunden, drängte sich die Annahme auf, dass sie sich wer ausgedacht hat; ein Urheber.

Unser Vorstellungsvermögen hat sich darwinistisch-evolutiv in der natürlichen Mittelwelt durch trial and error ausgebildet, da, wo die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht und wo wir unsere Erfahrungen machen.* Den Vorgängen im Mikrokosmos ist es ebensowenig erwachsen wie denen im Makrokosmos. Für beide jenseits seines Horizonts gelegenen Welten kann der Verstand theoretische Modelle erfinden, die sich nachrechnen und experimentell prüfen lassen – Quantenmechanik und Relativitätstheorie. Aber vorstellen, was die Modelle beschreiben, können wir uns in unseren irdischen Köpfen nicht.

Dass Quantenmechanik und Relativitätstheorie einander streng genommen ausschließen, ist beruhigend für die Vernunft. Es bestätigt, dass wir mit unseren irdischen Vermögen getan haben, was wir konnten. Wo wir mit unserer Vorstellung nicht mehr hinlangen können, nach ganz weit oben und ganz weit unten, haben wir uns mit Begriffen ausgeholfen, die wir aus logischen Prämissen unsern Erkenntniszwecken gemäß konstruieren konnten. Dass dies oben und unten jeweils ganz andere Begriffe sein würden, war angesichts dieser Vorgehensweise zu erwarten. Ließen sich für beide Bereiche dieselben Begriffe finden, sollte uns das Blut in den Adern gefrieren: Wenn oben und unten dieselben Begriffe gälten, müssten sie dazwischen, in unserer mittleren Erfahrungswelt, ebenso gelten; ein einziges Naturgesetz von Anfang bis Ende. 

Und kein Gesetz ohne einen Gesetzgeber.
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*) Die Labore der Wissenschaftler liegen auch in diesem Zwischenreich.



27. August 2013







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Freitag, 22. April 2016

"Stoff und Form" und "Sein und Gelten"...



Die alte "Dialektik von Stoff und Form" findet ihre Lösung in der modernen Schein-Dialektik von 'Sein' und 'Gelten'. Die systematische Unterscheidung von beiden ist durch Lotze eingeführt worden; bei dem jedoch die Dreigliederung: Sein - Geschehen - Geltung. "In Wirklichkeit" "besteht" die Wirklichkeit "aus"... Geschehen, sonst nichts. Oder richtiger, da 'Wirklichkeit' immer nur eine Prädikation, terminus ad quem, nicht a quo ist, ist real immer nur "Erleben"; "Geschehen" ist schon eine durch Reflexion 'gesetzte' Objektivation, die dann nochmal in zwei Pole auseinandergezogen wird: das, was ist, und das, was es bedeutet. 'Wirklich' sind aber die 'Tatsachen' und deren 'Sinn' im Erleben immer schon ein und dasselbe: 'Es gibt' keine Tatsache, die ganz und gar nichts zu bedeuten hätte: Allenfalls wird der Mangel erlebt, daß die Bedeutung fraglich ist. Daß andererseits Bedeutung immer nur einem - actualiter oder virtualiter - Faktischen zukommt, ist zu banal, um es öffentlich auszusprechen. [Faktisch von facere, n'est-ce pas.]

Nicht anders die Begriffspaarung Stoff und Form, die nichts anderes aussagen soll als die beiden 'Seiten', Hin-Sichten, von denen aus auf den Gegenstand 'geblickt', also reflektiert werden kann - nachdem man zuvor bereits auf das Gegenständliche am Gegenstand reflektiert hatte (i.e. dessen "Tauglichkeit für menschliche Zwecke"). Denn 'zuerst' war 'das Zeug' der Dinge 'zuhanden' und 'erst dann' die Dinglichkeit 'da'! Kein Wunder also, dass die ersten Philosophen (Elea bis Plato) dazu neigten, die Stofflichkeit der Dinge für Nichts zu halten, und bei dem systematischen Reflexionsphilosophen Aristoteles der Stoff überhaupt nur als Möglichkeit zur Form in den Blick kommt; capacitas formarum bei Eckhart, hypokeimenon eidoôn bei Plotin, "Bestimmbarkeit" bei JGF.

Dazu: E. von Bracken, "Mr Eckhart und Fichte", S. 12ff.

Aristoteles: "Alles, was wird, wird aus einem solchen, das nur beziehungsweise ist und beziehungsweise nicht ist." Physik I/8

[Karl Kraus: "Nur in der Wonne sprachlicher Zeugung wird aus dem Chaos eine Welt." Heine und die Folgen in D. Untergang der Welt durch schwarze Kunst, S. 205. - Die "sprachliche Zeugung" ist das Festhalten, Festsetzen einer Geltung durch ein "Zeichen" - das seinerseits festgehalten wird durch seinen "Verweisungszusammen hang" ("System") mit "den andern" Zeichen...]

aus e. Notizbuch, 21. 9. 94









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Mittwoch, 20. April 2016

Der Sinn der Welt.


photoseed

Die Welt selbst hat keinen Sinn. Umgekehrt. Indem ich [ihnen] einen Sinn [hinzu] erfinde, wird aus den Erscheinungen überhaupt erst eine Welt, und wenn nicht, dann nicht. Kann ich es also auch bleiben lassen? 

Die Welt wird erst, indem ich ihr einen Sinne an-erfinde. Der Sinn der Welt ist, dass ich in ihr mein Leben führen muss. Auf einen Sinn der Welt kann ich nicht verzichten, ich verzichtete denn darauf, mein Leben zu führen. Das Paradox: Ich mag wohl mein Leben nicht führen (sondern, sagen wir, mein Bedürfnis befriedigen). Allerdings kann ich mein Leben nicht nicht-führen wollen. Sobald ich will (und sobald ich überhaupt Ich denke), setze ich voraus, dass da ein Sinn ist; und ich ihn realisiere, indem ich etwas will. 

Ob das Leben einen Sinn hat, ist das pari von Pascal. Ich werde es darauf ankommen lassen müssen. Indem ich nach einem Sinn (überhaupt erst) frage, habe ich den Hauptteil der Antwort schon mitgegeben. Und andersrum: Der Sinn des Lebens besteht darin, dass ich nach ihm frage (und sobald ich mich bei einer Antwort beruhige, habe ich ihn sogleich wieder verloren).

aus e. Notizbuch, 11. 9. 03





Montag, 18. April 2016

Was kann ich denn an Eigenem aufbieten?

Allard, Un enfant des Abruzzes

Es ist Ihnen vielleicht manchmal vorgekommen, als trüge ich meine Aussagen zu selbstsicher vor, ohne die gebotenen Kautelen und Rücksichten.

Das dient zunächst einmal der Klarheit. Dass das, was ich vortrage, 'nur meine persönliche Meinung' ist, versteht sich von selbst. Wenn andere es auch vortrügen, könnte ich es mir sparen. (Das gilt auch für Sätze, die Ihnen trivial erscheinen; nicht alle wiederhole ich in didaktischer Absicht; manche waren für mich, als ich sie niederschrieb, neue Gedanken.)

Weshalb glaube ich aber, dass ich zum Besten geben soll, was mir einfällt? Wenn das jeder täte!

Ich fühle mich ermächtigt und angehalten, meine Meinungen öffentlich zu machen, weil ich gewiss bin, einen Standpunkt gefunden zu haben, von dem aus einige Fragen lösbar oder besser lösbar erscheinen, als von anderen aus. Und den Standpunkt habe ich gefunden, aber nicht gesucht. Er hat sich ergeben als gemeinsamer Nenner von Einzelergebnissen.

Was ist also mein Eigenes?

Zunächst ein paar Realien, die als solche weit auseinander liegen und nach einem gemeinsamen Nenner nicht gerade schreien.

1. Da ist zuerst meine Auffassung der Species homo sapiens als die ("kindlichste" und eo ipso:)  "männlichste" Spezies – weltoffen, unreif und bildsam. Soweit ich weiß, bin ich bis heute der einzige, der diese Ansicht vertritt.

2. Zweitens meine Auffassung der spezifisch europäischen Feudalität und ihrer vielfach bedingten Eigentums- und Herrschaftsformen als historische Voraussetzungen für die Ausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft; und insofern als prägend für die abendländische Kultur. Das mag vor mir schon mancher andere gemeint haben, aber direkt ausgesprochen habe ich es noch nirgendwo sonst gefunden.

3. Meine Kennzeichnung der 1990 untergegangenen Gesellschaften sowjetischen Typs als feudalbürokratische Verknappungs- undVergeudungssysteme. Das ist, so feuilletonistisch die Formulierung klingt, ein ganz ernstgemeinte historische Charakterisierung.

4. Viertens ein Stück Philologie: meine Auffassung, die Kritik der Politischen Ökonomie sei nicht zu begreifen mittels der Hegel’schen Logik, sondern mittels der 'Kritischen' Philosophie alias Wissenschaftslehre.

5. Daraus folgt – wiederum als Realie meine Ansicht vom Absterben des Tauschwerts im Laufe der Digitalen Revolution.

Soweit die realen historischen Theorien, die Sie nirgends anders vertreten finden. Sie hängen zwar nicht ab von –, aber doch (zumindest methodisch) zusammen mit meinen eigentlich philosophischen Einsichten:

Da ist zuallererst und für mich am wichtigsten meine Auffassung der Fichte’schen Wissenschaftslehre nicht als eine Theorie des Bewusstseins, sondern als eine Begriffsbestimmung derVernunft.

Diese 'Meta'-Einsicht stammt aus (und rechtfertigt) einige(n) philosophische(n) 'Objekt'-Erkenntnisse(n):

1) 'Die Welt' – und die ihr adäquate Bewusstseinsweise der Vernunft – ist eine Überkompensation der im Prozess der Hominisation aufgegebenen und naturwüchsig sinnsetzenden Umweltnische.

2) Dies ist der Ur-Sprung des Specificum Humanum: unseres poietischen Vermögens.

3) Das zwiespältige Resultat dieses Verlustes & Neuerwerbs ist die Freiheit als Folge des Zerfalls der angestammten Umweltnische in unsere Welt und meine Welt.

4) Die Form der Vernunft in specie ist die Wissenschaft, die systematische Rekonstruktion unserer Welt. Als solche ist sie spezifisch öffentliches Wissen (wie überhaupt die Spaltung von unserer und meiner Welt ihre reelle Entsprechung findet in der spezifisch bürgerlichen Scheidung von Öffentlich und Privat).

5) Die Wissenschaftslehre ist die vor-begriffliche Rekonstruktion der Erfindung von meiner Welt mit der Vernunft als ihrem terminus ad quem.

6) Das Absolute als das unvermeidliche Korrelat ('wozu?') des sich-selbst-setzenden Ichs ist eine ästhetische Idee. Sie ist der Vereinigungspunkt, von dem aus unsere Welt und meine Welt zugleich überschaubar werden.

7) Metaphilosophie und Praktische Philosophie verhalten sich zueinander wie Frage und Antwort. Zwischen beiden steht als Klammer und Scheidelinie die Kritik. Metaphilosophie und Praktische Philosophie bilden zusammen (=als Frage und Antwort) die Anthropologie. Zwischen beiden liegt die Kritik als eine Selbstreflexion der Anthropologie.

*

Das ist alles nicht der Weisheit letzter Schluss, aber so ist es in der Philosophie immer. Doch immerhin rechtfertigt es die Hartnäckigkeit, mit der ich meine Blogs betreibe. Und wenn ich vielleicht nicht in allem, aber im wesentlichen – Recht habe, wäre es nötig, dass sie gelesen werden.




Sonntag, 17. April 2016

Das Ästhetische ist ironisch.



Dieses bedeutet Jenes heißt: Es ist als Jenes bestimmt. -

Bedeuten heißt: einen Einfluss auf meine Lebensführung haben; mich veranlassen können, dieses oder jenes zu tun.

Das mag eine reine Vorstellungstätigkeit sein. Wenn ich mir wirklich etwas vorstelle, lässt sich daraus eine weitere Vorstellung entwickeln;* durch Differenzieren, Entgegensetzen usw. Vorstellung neigt zur Fortpflan- zung. 

Das Ästhetische ist das, was erscheint und nichts bedeutet. Es ist bestimmt als unbestimmt. Es lässt sich nichts daraus entwickeln. Ich kann es nur anschauen, und dabei muss es bleiben. Es hat zwar nichts zu bedeuten, sieht aber doch so aus; ich suche und kann nichts finden. Das gibt dem Ästhetischen eine polemische Spitze: Es scheint so, als wolle es sich über das, was ordentlich etwas bedeutet und woraus sich was entwickeln ließe, lustig machen.
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*) "generieren": Vorstellungen sind miteinander genetisch verbunden, oder gar nicht.


28. 4. 15

Samstag, 16. April 2016

Der Schlüssel zur Anatomie des Affen.


Im Alltag des normalen dogmatischen Realisten, der wir alle sind, sobald wir die Studierstube verlassen, heißt erklären: etwas als Wirkung einer Ursache darstellen. Das Was, das jeweils zu erklären ist, ist als 'dieses' im Voraus bestimmt durch die Ursache, die es bewirkt.

Dem hat Fichte die transzendentale oder 'dialektische' Sichtweise entgegengestellt. Das, was es zu erklären gibt -
 oder zu verstehen, das ist hier dasselbe - ist bekannt. Es ist die Tatsache der Vernünftigkeit: das Vorhandensein einer 'Reihe vernünftiger Wesen'. Es ist dieses Resultat, das den Sinn (Bedeutung, Wert, Zweck) der Fort-Schritte ausmacht, die zu ihm geführt haben.

Das ist keine "teleologische" Betrachtungsweise, sondern der einzig rationelle Weg, nach einem Sinn zu fragen: die Ergebnisse so zu betrachten, als ob sie der Zweck des wirklichen Geschehens gewesen wären.

Die Anatomie des Menschen sei der Schlüssel zur Anatomie des Affen, meinte Marx.

Bleibt freilich immer die Frage, ob das wirklich erzielte Resultat als ein Zweck gewollt werden kann; doch erst jetzt kann sie rationell erwogen werden.




Freitag, 15. April 2016

Die Widersprüche im System auflösen.



In einem philosophischen System alle Widersprüche auflösen wollen ist unvernünftig. Jede Lösung eröffnet ein Feld für neue Widersprüche: Setzen ist entgegensetzen.

Versuchen muss man es doch, wie will man sonst vorankommen?

*

Fichte sagt, man müsse von jeder Stelle im System aus zu jeder anderen gelangen können, so dass eine jede ebensogut Anfang und Mittelpunkt des System sein könne wie alle jene. Dabei handelt es sich offfenbar um das logische System der wechselseitig durcheinander bestimmten Begriffe; "alles, was der Fall ist". Als solches lässt es sich in der Tat nicht darstellen. Man fände keinen Anfang, aber auch keinen Abschluss. Es ist in jeder Richtung offen. 

Das System der Transzendentalphilosophie ist eine genetische Abfolge von Vorstellungen, wo eine jede nur aus den vorangegangenen entstehen kann. Es ist ein Fortschreiten, wenn auch nicht linear, so doch systemisch. Während im logischen System alles gleichzeitig, synchronisch (eigentlich a-chronisch) ist, hat das System der Transzendentalphilosophie einen (diachronischen) Verlauf. Nur in der Reflexion lässt er sich umkehren, nicht reell.

Es ist "nach außen", seinem Umfang nach, abgeschlossen. Es hebt an mit dem Wollen und endet beim fiktiven Schlussstein des Absoluten. Davor, daneben und dahinter ist nichts. "Nach innen", in die Tiefe, kann es gar nicht abgeschlossen werden, denn innen reproduzieren sich die Widersprüche in dem Maß, wie sie aufgelöst werden. Es ist nicht unendlich, aber genzenlos.

Das System der Transzendentalphilosophie ist unverzichtbar, denn es begründet alles reale Wissen. Ein System der Welt* wäre zu nichts zu gebrauchen.


*) Das physikalische Universum ist nicht die Welt. Eine Kosmologie, die die Möglichkeit anderer Welten postulieren muss, lässt sich eo ipso nicht in ein System bringen.

31. 5. 2015






 

Donnerstag, 14. April 2016

Realismus ist nicht naiv.

wikimedia
 
Du gebrauchst Solipsismus als ein bloßes Schimpfwort immer da, wo das Denken sich selbstkritisch nach seinen faktischen (!) Voraussetzungen fragt. Als sei die Kritik an deinem (fälschlich so genannten) Naiven Realismus – "es gibt nur Dinge" – schon die (umgekehrte) dogmatische Behauptung: "Es gibt nur mich." Letzteres hat ja nicht einmal der dogmatische Idealismus von Bischof Berkeley gelehrt – so dogmatisch er sonst war. Schon gar nicht der kritische Idealismus der Transzendentalphilosophie; der nämlich deshalb kritisch ist, weil er die Be-rechtigung ontologischer (und sonstwie metaphysischer) Aussagen geradezu bestreitet.

Wieso ist euer Realismus in keiner Weise naiv, sondern säuerlich-schlau? Weil das natürliche Weltbild der Kinder überhaupt nicht realistisch ist, sondern magisch-animistisch. Naiv ist, nach Schiller, "eine Kindlichkeit da, wo man sie nicht mehr vermutet". Das ist ja gar nicht euer Fall. Ihr seid, obwohl erwachsen, kindisch-alt-klug, ihr wähnt euch über die Blödigkeit der Kinder haushoch erhaben, weil ihr an die 'Dinge' wie an einen Fetisch glaubt. Da ist mir der Animismus der Kinder immer noch lieber, denn deren Fetische sind wenigstens belebt, sie gehorchen ihrer Einbildungskraft und nicht einem "Naturgesetz".

Noch einmal ganz deutlich: Du "erkennst" überhaupt keine 'Dinge' (wohl gar 'an-sich'?), sondern tatsächlich nur "Eigenschaften", die du aber schon vorher 'kanntest', indem du ja nach ihnen gesucht hast. Ohne dieses wäre nämlich das, was du eine "Eigenschaft" nennst, nichts als ein gestaltloses Bündel von Sinnesdaten bar jeglicher Bedeutungen, durch welche man sie auf-einander beziehen und also ein-und-derselben 'Sache' zuschreiben kann, die du so apodiktisch ein 'Ding' nennst. Und die Bedeutungen, die du den Sinnesdaten zuschreibst, um sie zu einander zu fügen, das sind deine Intentionen (weshalb die mittelalterliche Scholastik den Begriff 'Bedeu-tung' mit lat. intentio wiedergegeben hat).


aus e. online-Forum, 4. 9. 08

Mittwoch, 13. April 2016

Das Absolute ist der Vereinigungspunkt beider Welten.


In meiner Welt entsteht das Absolute als Inbegriff meines sittlichen Sollens ("Gefallen ohne Interesse"*).

In unserer Welt** entsteht es als Fluchtpunkt möglicher gemeinsamer Zwecke ("allgemeines Interesse").

Es ist im Rückblick in beiderlei Gestalt von meiner und von unserer Welt. Es ist der Vereinigungspunkt. Von ihm aus lassen sich beide Welten überblicken – wo sie sich überschneiden und wo nicht.

(Daraus erhellt, dass Sittlichkeit und Recht verschiednen Ursprungs sind. Im Politischen überschneiden sie sich regelmäßig, und der Philister unterscheidet dann zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. )

*) Ethik ist eine Sonderform der Ästhetik.
**) "…eine Welt vernünftiger Wesen (mundus intelligibilis) als ein Reich der Zwecke", Kant, Grundlegung e. Metaphysik der Sitten, WW VII, S. 72






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Dienstag, 12. April 2016

Umfang und Inhalt.

Rainer Sturm  / pixelio.de

"Die Bedeutung der Wörter ist ihre Verwendung im Sprachspiel." – Das ist salopp ausgedrückt. Um den springenden Punkt zu vertuschen? Die Bedeutung der Wörter bildet sich aus durch ihre Verwendung im Sprachspiel: Das wäre korrekt. Denn es lässt die Frage offen, wo die Wörter her gekommen sind; oder besser: Es stellt die Frage! Erst das Sprachspiel, dann die Bedeutungen? Oder doch: erst die Bedeutungen, dann das Sprachspiel?!

Einen Begriff nennen wir ein Wort, dessen Bedeutung durch seine Verwendungen in den Sprachspielen so festgestellt ist, dass sie in den verschiedensten – na ja, in verschiedenen Sprachspielen fungieren kann. Ob ich nun 'Bedeutung' sage oder 'Verwendung im Sprachspiel' – dieses bleibt: Beide befinden sich in der Spannung zwischen dem Gehalt – 'intensio' – und dem Umfang – 'extensio' – des Begriffs. Wobei die Intensio nichts anderes ist, als was die Scholastiker intentio nannten: 'das, was beabsichtitgt ist, das, worauf abgesehen wird'. Die Extensio, das ist offenbar der Umkreis der (sinnlich begegnenden) Phänomene, die unter die Absicht des Begriffs fallen, die also im Begriff 'mitgemeint' sind. So, dass die Intensio die Qualitäten festlegt, die 'gemeint' sind; und die Extensio die Phänomene zählt, denen diese Qualitäten zugesprochen werden. So, dass weiterhin die Zahl der gemeinten Phänomene zunimmt in dem Maße, wie die Zahl der gemeinten Qualitäten abnimmt, und wiederum abnimmt in dem Maße, wie die Intensität (Stärke, Tiefe, nicht: Menge!) der jeweiligen Qualität zunimmt. (Und ohne Qualitäten geht es nicht.)

Es reproduziert sich in jedem Begriff die Doppeltheit des Bewusstseins, dass dem sinnlich Gegebenen eine Bedeutung zu-gedacht wird, und keines ohne das andere gedacht werden kann; also der 'Begriff' (oder das 'Ding', das er 'erfasst') immer in einer Schwebe vorkommt zwischen Umfang und Gehalt.

[vgl. Cassirer. Umfang und Gehalt d. Begriffs]

aus e. Notizbuch; um 2002? 




Montag, 11. April 2016

Sind Begriffe da oder wurden sie gedacht?




Obige Förmchen sind dazu da, dass man Kuchenteig hineintut. Gedacht sind sie für Weihnachtsplätzchen. 

Sie können aber auch Kartoffelbrei oder Wagenschmiere hineintun; sofern Sie sich nicht fragen lassen müssen, wozu.

Ob Kuchenteig, Kartoffelbrei oder Wagenschmiere – da sind sie so und so. Aber so wurden sie nicht gedacht.






Sonntag, 10. April 2016

Die vierfache Wurzel der Philosophie.





1.     Problem: Was ist wahr?

  1. Das einzig Wahre ist der Wechsel; nicht zweimal in denselben Fluss… Alles, was währt, ist Illusion.
  2. Wahr ist nur, was währt. Aller Wechsel ist Schein. Ist oder ist nicht.

2.     Problem: Was ist Wissen?

a.  Wissen ist Kundgebung, Offenbarung etc… Das Objekt prägt sich ein ins Subjekt: wie ein Spiegelbild.
b.  Wissen ist Anteilnahme: Ich erfasse nur, wonach ich greife.
    (Der Spiegel weiß nicht, was er reflektiert. Er weiß nicht einmal, dass er reflektiert. …)
  

Das erste Problem wurde erst lösbar im Licht des zweiten Problems. …

Was sich uns einprägt, ist in Raum und Zeit; nämlich die Eigenschaften, nach denen wir fragen. Was in Raum und Zeit ist, ist bedingt. Und veränderlich mit deren Bedingungen.

Was außerhalb von Raum und Zeit ist, ist eo ipso jenseits der Bedingungen von Raum und Zeit: ist unveränderlich, und prägt nicht sich uns ein, sondern ist von uns geprägt: nicht die Eigenschaften der Dinge, sondern deren Bedeutungen. Die sind ewig. Allerdings nur für wirkliche Subjekte unter den Bedingungen von Raum und Zeit. Mit andern Worten, sind gedacht - oder sind nicht.


25. 8. 2013