Montag, 28. November 2016

Primat des Praktischen.


supervisionswerkstatt

Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, wird dir jedes Problem als ein Nagel vorkommen.
 

Mark Twain
(zugeschrieben) 




Samstag, 26. November 2016

Erhaben ist das schlichtweg Unangemessene.


El Capitán. Yosemite valley

Die obige Erklärung kann auch so ausgedrückt werden: Erhaben ist das, mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist. Hier sieht man leicht: daß nichts in der Natur gegeben werden könne, so groß als es auch von uns beurteilt werde, was nicht in einem andern Verhältnisse / betrachtet bis zum Unendlichkleinen abgewürdigt werden könnte; und umgekehrt, nichts so klein, was sich nicht in Vergleichung mit noch kleinem Maßstäben für unsere Einbildungskraft bis zu einer Weltgröße erweitern ließe. Die Teleskope haben uns die erstere, die Mikroskope die letztere Bemerkung zu machen reichlichen Stoff an die Hand gegeben.

Nichts also, was Gegenstand der Sinnen sein kann, ist, auf diesen Fuß betrachtet, erhaben zu nennen. Aber eben darum, daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität, als auf eine reelle Idee liegt: ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermögens der Größenschät- zung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns; und der Gebrauch, den die Urteilskraft von gewissen Gegenständen zum Behuf des letzteren (Gefühls) natürlicher Weise macht, nicht aber der Gegenstand der Sinne, ist schlechthin groß, gegen ihn aber jeder andere Gebrauch klein. Mithin ist die Geistesstimmung durch eine gewisse die reflektierende Urteilskraft beschäftigende Vorstellung, nicht aber das Objekt erhaben zu nennen. 

Wir können also zu den vorigen Formeln der Erklärung des Erhabenen noch diese hinzutun: Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüts beweiset, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft.
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I. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 25, [S. 170f.]


Freitag, 18. November 2016

Warum gibt es etwas, statt dass es nichts gibt?



Wir wissen gar nicht, dass es etwas gibt. Wir wissen nur, dass etwas in unserer Vorstellung vorkommt, und können erklären, weshalb wir annehmen müssen, dass dem in unserer Vorstellung etwas außer unserer Vor- stellung entspricht.

Könnte in unserer Vorstellung nichts vorkommen - und wir müssten annehmen, dass dem außer unserer Vorstellung nichts entspricht? Wir können uns nicht vorstellen, dass wir uns nichts vorstellen können. Wenn wir vorstellen, müssen wir etwas vorstellen.

Das Wissen kann von sich nicht abstrahieren. Vielleicht, wenn es ein Ding wäre; es ist aber eine Tätigkeit.






Donnerstag, 10. November 2016

Leibniz.




Zum 300. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz am kommenden Montag brigt die Wiener Presse heute einen langen Beitrag zu dessen Bedeutung als letzter Universalgelehrter.

Das war mir Anlass, besonders an Leibniz als Philosophen zu erinnern:

 
Leibniz wird bis heute von Mathematikern und Physikern als einer ihrer Ahnherren reklamiert. Für den Philo- sophen Leibniz ist das ein Pech, denn der geriet dadurch beim großen Publikum in Vergessenheit. Seine Bedeu- tung für die Philosophie ist aber kaum zu überschätzen. Das rationalistische metaphysische System, das Kant mit seiner Kritik der reinen Vernunft zu Fall brachte, stammte im Wesentlichen von ihm.

Es ging aber nicht, wie die seitherige Philosophiegeschichte vermuten lässt, auf den Ideenrealismus Platos zurück, sondern in Gestalt der Leibniz'schen Monaden auf die (eigentlich animistische) Vorstellung von der Entelechie, die Aristoteles formuliert hatte. Da s macht einen gewaltigen Unterschied. Die scholastischen Nominalisten,* die als die Begründer des neuzeitlichen Denkens gelten können, waren Anhänger des Aristoteles und entschiedene Gegner Platos. Auf sie beriefen sich aber nicht nur Leibniz und seine Epigonen Wolff und Baumgarten, son- dern auch... alle Materialisten!


Und während die Spuren, die Platos Ideen immer wieder im Denken auch gegenwärtiger Philosophierer hinter- lassen, ohne weiteres auf den ersten Blick zu erkennen und kenntlich zu machen sind, treiben die Entelechien im (monado-) Logischen Atomismus der gegenwärtigen Analytischen Philosophie unerkannt und ungerügt ihr fröh- liches Unwesen, bloß weil... Leibniz als Philosoph in Vergessenheit geraten ist. 

Dem wäre abzuhelfen.



*) ['Wirklich ist immer nur das je-Einzelne; alle Vergleichung und Verallgemeinerung ist Zutat des Denkens - bloßer Name.']

Sonntag, 6. November 2016

Worauf es im Leben ankommt.



…auf das Wahre? 
  
Aber was wäre am Wahren besser als das Falsche – es sei denn, es ließe sich im praktischen Leben besser zu sachlich Nützlichem verwerten? 

…auf das Gute?
 
 

Aber was wäre am Guten besser als das Schlechte – es sei denn, wer Gutes tut, der könnte auch hoffen, dass Andere ihm Gutes täten? Also besser als seine soziale Nützlichkeit?

…auf das Schöne?
 
Das muss es sein! Denn es teilt, unerachtet aller Nützlichkeiten, dem Wahren und dem Guten diese seine besondere Qualität mit: dass sie alle 'ohne Interesse gefallen'.



Samstag, 5. November 2016

“Ich weiß nichts.”


Johann Gottfried Schadow, Sokrates im Kerker

Der Satz 'ich weiß nichts' ist offenbar ein Widerspruch in sich. Er setzt sich aus zwei Aussagen zusammen: 1) Ich weiß etwas; und 2) dieses Etwas ist Nichts. Doch wenn Nichts nichts ist, kann ich davon nicht Etwas wissen. Wir wissen immer entweder Etwas, oder wir wissen Etwas nicht. Schon die Kinder wenden ein: Wenn ich Nichts weiß, dann weiß ich zumindest Dieses. Nämlich mindestens, was Wissen ist! Aber dann darf ich nicht mehr sagen, dass ich das nicht weiß. Wissen und Nichtwissen sind logisch nicht gleichrangig; nicht 'gleich-ursprünglich'. Dass 'Wissen ist', ist allezeit vorausgesetzt. Es "kommt vor", dass ich nicht weiß, was dieses oder jenes ist; aber das weiß ich. Der Gegenpol zu Wissen ist nicht Nichtwissen, sondern Fragen.

Dass wir 'etwas wissen', ist eine empirische Tatsache, oder eine phänomenale Gegebenheit; es "kommt vor"… Unsicherheit besteht darüber, was mit 'Etwas' bezeichnet ist, und darüber, was mit 'Wissen' bezeichnet ist. Aber das sind nicht zwei verschiedene Unsicherheiten, sondern ein und dieselbe. 'Etwas' kommt nur im Wissen vor, und 'Wissen' kommt nur als Wissen von Etwas vor. Wenn nicht das eine, dann auch nicht das andre.

12. 2. 14

Dienstag, 1. November 2016

"Denken ist das Überprüfen von Prognosen."



Am 27. 10. veröffentlichte Manuela Lenzen in der Neuen Zürcher einen ausführlichen Bericht über die neue kognitionspsycholigsche Schule des Predictive Coding, die auf den britischen Neurowissenschaftler Karl Friston zurückgeht. Danach bestünde unsere höhere Hirntätigkeit im wesentlichen nur aus dem Prüfen und Korrigieren von Prognosen.

Sie schließt ihren Beitrag mit der skeptischen Wendung: «'Bevor diese Theorie erklären kann, wie höhere Kognition entsteht, muss sie noch viel spezifischer werden.' – Vielleicht zeigt sich dann indes, dass wir im Oberstübchen ja doch noch etwas mehr tun, als immerzu nur Prognosefehler zu korrigieren.»

Das habe ich kommentiert:

Na selbstverständlich tun wir im Oberstübchen noch etwas mehr, als immerzu nur Prognosefehler zu korri- gieren. Nämlich Prognosen entwerfen. Die kämen von allein durch die Erfahrung auf uns zu? Aber die Erfah- rung bestand in der Korrektur von Prognosefehlern. 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Um die Annahme einer Allerersten Prognose kommen wir nicht herum. Damit Erfahruungen überhaupt gemacht werden können, müssen nicht nur die Instrumente - Kants Apriori - 'zuhanden' sein, sondern ein vorgä ngiger Sinnentwurf: Fichtes Tathandlung.

Wenn nun das Predictive Coding ideengeschichtlich bis auf J. F. Herbart (und mit ihm auf die englische Assoziati- onspsychologie)zurückgeführt wird, sollte nicht vergessen werden, dass Herbart bei J. G. Fichte in der philoso- phischen Lehre war. Ein früh und entschieden abtrünniger Schüler zwar, aber es hat ihn nicht gehindert, sich am Material der Fichte schen Philosophie reichlich zu bedienen (wie später auch Schopenhauer). 

Hier ist es der Primat des Praktischen in all unserer Vorstellungstätigkeit; ihrer Intentionalität und Gerichtet- heit: 'Wollen', 'Streben', 'Trieb'. Das (lediglich zum Behuf der Erklärung angenommene) 'Ich' ist ursprünglich schlechthin handelnd, aber es handelt nicht nur 'einfach so', sondern immer um zu....

Wenn m an also sucht, mit welcher Philosophie sich die neue Psychologie am besten verträgt, muss man nicht weit gehen, es reicht ein Klick zu meinem Blog