Montag, 5. Juni 2017

Die Rechtfertigung der Vernunft.



...die Frage ist: Wie kann ein Vernunftwesen sein Bewusstsein erklären?
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 167.

 
Das ist die Frage, der die Wissenschaftslehre nachgeht. Seit anderthalb Jahunderten - seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges - waren die Gebildeten Europas sich einig: Von nun an sollte die Vernunft regieren. Vernunft wurde zur selbstverständlichen Grundlage von Allem.

Selbstverständlich, denn was sie sei, wurde nicht gefragt. Es hätte die Vernunft ja von sich selbst reden müssen. So fragte schließlich auch Kant nicht: Was ist Vernunft? Sondern lediglich: Wo sind ihre Grenzen?

Die Grenze, an der er selber stehenblieb, waren die zwölf Kategorien und die beiden Anschauungsformen. Er nannte sie das Apriori, womit auch gemeint war, dass man hinter sie nicht zurückfragen könne, nämlich solan- ge man in der Wissenschaft bleiben wolle; dahinter begänne das Reich des Glaubens.

Kant war auf halbem Wege stehen geblieben, Fichte wollte ihn zu Ende gehen. "Wie kann ein Vernunftwesen sein Bewusstsein erklären?" Es ist nicht die Vernunft, die von sich selber singen soll. Es ist ein wirkliches, leben- diges, endliches Bewusstsein, das sich klarmachen will, wie es zu dem gelangte, was es als seine Vernunft er- kennt. Sie sind von Anbeginn zwei, ein Subjekt und ein Objekt. Wer von beiden ist dieses, wer jenes? Begreifen können sie... einander? - nein: sich nur, indem sie die Stelle wechseln.

Doch wohlgemerkt: Nicht die Vernunft hat sich erklärt, sondern ein wirkliches Bewusstsein hat 'sich' seine Vernünftigkeit erklärt. Daher ist diese Erklärung "nicht an sich gültig"(ebd.), nämlich nicht für ein etwaiges un- endliches oder überirdisches Vernunftwesen oder womöglich den Schöpfergott selbst, sondern gilt nur für besagtes Bewusstsein selbst; aber für dieses gilt sie.

 



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