Montag, 8. Januar 2018

Wozu braucht man die Wissenschaftslehre?


sissel

Der Mensch kommt nicht vernünftig zur Welt. Aber er kommt in eine Welt. Dort hat er Erlebnisse aller Art, Erfahrungen, wie er später sagen wird. Was die Welt auszeichnet vor andern Orten, an die er kommen könnte, ist, dass die Dinge, die darin vorkommen, Bedeutungen haben; manche deutliche, manche weniger deutliche, und von manchen kann man sie nicht einmal erkennen. 

Die Bedeutungen, die die Dinge in der Welt haben, werden ihm mitgeteilt von den Mitmenschen, die er vorfin- det. Die Mitmenschen und die Bedeutungen der Dinge sind im wirklichen Erleben fast dasselbe; er kennt die einen nur, weil er die andern kennt, und wenn er mit jenen auskommen will, muss er ihre Bedeutungen teilen. Misshelligkeiten kommen vor, aber schließlich geht es doch immer weiter.


So macht jeder seinen Weg, der eine rasch und gradlinig, der andere mühsam und auf Umwegen; der eine erlebt viel, der andere weniger, dem einen bedeutet's wenig, dem andern allerhand. Jedenfalls verkehren sie alle mit einander schlecht oder recht, denn sie sind alle vernünftige Leute, und wen er nicht zu diesen zählt, dem geht er aus dem Weg; es sei denn, es sind Neulinge in der Welt, wie er einer war; die nimmt er bei der Hand und zeigt ihnen die Welt, so gut ers versteht.

Das ist Vernunft.

Was ist sie? Man kann beobachten, was sie treiben, es notieren, auf Listen sammeln und zu Statistiken fügen. Da wird man aber nur Beschreibungen zustandebringen, und am Ende steht immer bloß: Irgendwie kommen sie doch wieder zusammen, wenn auch vorher Mord und Totschlag war. Was es aber ist, das sie bei all ihren Gegensätzen letzten Endes zusammenhält, wird durch bloßes Sammeln von Erfahrungsdaten nie ersichtlich werden. Man wird ein Modell entwerfen müssen; das nimmt man als ein Schema, das man an das wirkliche Geschehen heranhält und Vergleiche zieht: Passt oder passt nicht? 

Ob es aber passt oder nicht, entscheidet nicht allein über die Tauglichkeit des Modells. Entscheidend ist, ob das Modell auch einen guten Sinn in das Geschehen bringt. Das allerdings ist keine theoretische Frage nach der Pass- genauigkeit, sondern eine praktischen Frage nach dem guten Zweck. Und es findet sich womöglich, dass nicht alle Zwecke für ein Modell der Vernunft taugen.

15. 1. 17 



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