Komik, Witz, Humor.

 
Witz ist eine sehr ernsthafte Sache. 
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J. G. Fichte, Erste Wissenschaftslehre von 1804, Stuttgart 1969, S. 8 .

 

 

Was ist komisch?


Pragmatische Definition: Komisch ist, worüber gelacht wird. 

Alles andere ist davon abgeleitet: Was ist Witz? Was ist Humor? Usw…. Bestimmungsgrund ist aber immer: dass gelacht werden kann. Das Lachen ist ein – quasi-physiologischer – "Elementarfakt". Das Lächeln erscheint – wiederum physiologisch – als Miniaturformat des Lachens; es ist es! Nicht als "Verkleinerung" – es ist (lebensgeschichtlich) ja "früher da": Der Säugling lächelt, bevor er lacht; sondern als Knospe der Blüte. 

'Komik entsteht, wenn zwei Automatismen auf einander prallen', sagt irgendein Feuilletonist. – "Automa-tismen": besser gesagt, Selbstverständlichkeiten. Wenn die auf einander stoßen und dabei einander aufheben, dann erhellt daraus schlagartig die Nicht-Selbstverständlichkeit, nämlich Bedingtheit allen "Wissens". Da "zeigt sich" – anschaulich, unter der Form des Absurden – der transzendentale Standpunkt als der wahre – den man sich doch im alltäglichen Leben nicht leisten kann! Nur als "Fest" kann man ihn "beziehen", und das ist komisch: "Leben" kann man nur in relativer Unwahrheit; aber doch bleibt das Leben am Ende das "einzig Wahre“.

März 8, 2009

 

 

Fröhlicher Wissenschafter.

                                                             Diego Velázquez, Demokrit, der lachende Philosoph

Die Vernunft gebietet, zu allem, was erscheint, einen hinreichenden Grund zu finden; wie könnte ich es sonst vor mir rechtfertigen? 

Nur für mein Dasein, vulgo Existenz, gibt es keine Begründung, es ist mir zufällig (vulgo kontingent). Das tragische Gemüt verfällt darüber in Unglück und Pathos. 

Der Fröhliche Wissenschafter kann sich dagegen ein Lachen nicht verkneifen.
 

 

Witz ist der Finder.

Dieter Schütz  / pixelio.de
Der Witz ist der Finder (finder) und der Verstand der Beobachter.
Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft J, N° 1288


Wenn Scharfsinn ein Vergrößerungsglas ist, so ist Witz ein Verkleinerungsglas. Glaubt ihr denn, dass sich bloß Entdeckungen mit Vergrößerungsgläsern machen ließen? Ich glaube mit Verkleinerungsgläsern, oder wenigstens durch ähnliche Instrumente sind wohl mehr Entdeckungen gemacht worden.
ebd., Heft D, N° 465


Ohne Witz wäre eigentlich der Mensch gar nichts, denn Ähnlichkeit in den Umständen ist ja alles was uns die wissenschaftliche Erkenntnis bringt, wir können ja bloß nach Ähnlichkeiten ordnen und behalten.
ebd., Heft J, N° 936
 

 

 

Witz und Gedächtnis.










Das Gedächtnis ist der Individualsinn das Element der Individuation. N°1248
Der Witz ist schöpferisch – er macht Ähnlichkeiten. N°1298
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Novalis, Neue Fragmente, aus: Projekt Gutenberg

 

 

Humor.


Man kann Humor haben, ohne intelligent zu sein. Doch kann man intelligent nicht sein ohne Humor. 

Scharfsinnig kann man auch ohne Humor sein. Scharfsinn ist das Vermögen, Unterschiede zu erkennen, die nicht ins Auge springen.

Intelligenz ist Gedächtnis plus Humor. Allein das Gedächtnis bildet den Sinn für die Unterschiede. Der Humor sieht Bezüge dort, wo man sie nicht erwartet.

Gedächtnis kann man trainieren. Humor nicht. Doch den muss man unterhalten.

 
September 16, 2008 
 

 

 

Ironie und der transzendentale Standpunkt.

Henning Hraban Ramm  / pixelio.de

"Ironie" = der transzendentale Standpunkt 

"Von vorn" ist die Ironie "nichts als" die stilistische Erscheinungsform der permanenten Reflexion des Wissens im Angesicht des Unendlichen; "unendliche Reflexivität", mit JGF zu sprechen.

"Hintenrum" aber ist sie der gefundene "substantielle Standpunkt", der "sich ergibt", wenn der Reflexion verblüfft einleuchtet, daß sie ja, um reflektieren zu können, ein anderes ( = [Nicht-]Ich, Absolutes, "Standpunkt"...) immer schon "sich selbst" (logisch, topisch) vorausgesetzt haben muß, bevor sie mit "sich", ihrer Tätigkeit = Reflektieren, überhaupt anfangen konnte; daß diese sich-voraus-Setzung indes "in nichts begründet" ist als ihrem Entschluß, tätig zu werden; daß also "das Absolute", von dem sie ausgeht, um als auf einen Fluchtpunkt Alles "beziehen" zu können, doch eben - selbstgemachte Fiktion ist. "Verum et factum convertuntur." Aber factum et fictum convertuntur.

aus e. Notizbuch, 23. 10. 94


aus: Rüdiger Safranski, Romantik, eine deutsche Affäre:

...Wie sollte nicht jeder Satz über das Absolute und Transzendente nur unter ironischem Vorbehalt gesprochen werden dürfen? Endliches zu sagen über das Unendliche kann und darf nur ironisch sein. Ironie gehört deshalb in jede Philosophie, die das Ganze zu begreifen versucht... "Ist sie nicht wirklich die innerste Mysterie der kritischen Philosophie?" ...

 

 

Metaphysische Ironie.



Der nachhaltige Grund für unsere Ironie ist dieser: dass das Absolute, das der Mensch als ihm vorausgesetzt annehmen muss, wenn er überhaupt irgendwas ernstnehmen will, nur eine Fiktion ist – um des Ernstnehmens willen. Der Grund, auf dem all unsere Gewissheit ruht, ist in Wahrheit ein virtuoser Sprung über den Abgrund. Aller Ernst ist nur Als-ob. Aber ohne dies wäre gar nichts.




Das wahrhaft Komische.

lachen

Jetzt lassen Sie uns von dem wahrhaftig Komischen sprechen! Wer mag denn die Ironie wegleugnen, die tief in der menschlichen Natur liegt, ja die menschliche Natur in ihrem innersten Wesen bedingt und aus der mit dem tiefsten Ernst der Scherz, der Witz, die Schalkheit herausstrahlen. [...] Die krampfhaften Zuckungen des Schmerzes, die schneidensten Klagetöne der Verzweiflung strömen aus in das Lachen der wunderbaren Lust, die eben erst von Schmerz und Verzweiflung erzeugt wurde. Die volle Erkenntnis dieses seltsamen Organism der menschlichen Natur möchte ja eben das sein, was wir Humor nennen und so sich das tiefe innere Wesen des Humoristischen, welches meines Bedünkens mit dem wahrhaft Komischen eins und dasselbe ist, von selbst bestimmen.




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E.T. A. Hoffmann, Seltsame Leiden eines Theater-Direktors
in: Werke, München1964, Bd.I, S. 654   







Das Ästhetische ist ironisch.


Dieses bedeutet Jenes heißt: Es ist als Jenes bestimmt. -

Bedeuten heißt: einen Einfluss auf meine Lebensführung haben; mich veranlassen können, dieses oder jenes zu tun.

Das mag eine reine Vorstellungstätigkeit sein. Wenn ich mir wirklich etwas vorstelle, lässt sich daraus eine weitere Vorstellung entwickeln;* durch Differenzieren, Entgegensetzen usw. Vorstellung neigt zur Fortpflanzung. 

Das Ästhetische ist das, was erscheint und nichts bedeutet. Es ist bestimmt als unbestimmt. Es lässt sich nichts daraus entwickeln. Ich kann es nur anschauen, und dabei muss es bleiben. Es hat zwar nichts zu bedeuten, sieht aber doch so aus; ich suche und kann nichts finden. Das gibt dem Ästhetischen eine polemische Spitze: Es scheint so, als wolle es sich über das, was ordentlich etwas bedeutet und woraus sich was entwickeln ließe, lustig machen.
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*) "generieren": Vorstellungen sind miteinander genetisch verbunden, oder gar nicht.






Den Witz achten sie wenig.

Ducreux

120. Den Witz achten sie darum so wenig, weil seine Äußerungen nicht lang, und nicht breit genug sind, denn ihre Empfindung ist nur eine dunkel vorgestellte Mathematik; und weil sie dabey lachen, welches gegen den Respekt wäre, wenn der Witz wahre Würde hätte. Der Witz ist wie einer, der nach der Regel repräsentiren sollte, und statt dessen bloß handelt.
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Friedrich Schlegel, Athenaeums-Fragmente



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