Donnerstag, 12. Oktober 2017

Übergehen: eine tätige Dialektik.


andramedia

Das Mysterium der Hegel'schen Dialektik und damit seines ganzen Systems ist das Umschlagen des Begriffs in seinen Gegensatz. Wie es vor sich gehen soll, kann man sich nicht vorstellen, es wird nicht erläutert, es bleibt ein Mysterium, man muss daran glauben wie an die Dreifaltigkeit. Tatsächlich findet es bereits im Begriff selber statt: Er trägt seinen Gegensatz schon in sich. So wird es behauptet.

Bei Fichte schlagen keine Begriffe um, sondern eine Vorstellung geht über in eine andere. Nämlich so: Sie soll bestimmt werden, doch das geht nur durch Entgegensetzung. Es ist ein Subjekt, das bestimmen soll, es muss die Entgegensetzung selber vornehmen. Muss? Nein. Es geschieht aus Freiheit; es könnte das Bestimmen auch unterlassen, und seine Vorstellung blieben unbestimmt.

Ist nicht die Freiheit auch ein Mysterium? Ja, ausdrücklich: "Hier ist etwas Unbegreifliches; und es kann nicht anders sein, weil wir an der Grenze aller Begreiflichkeit, bei der Lehre von der Freiheit in Anwendung auf das empirische Subjekt, stehen. ... Denn ein Akt der Freiheit ist schlechthin, weil er ist, und ist ein absolut Erstes, das sich an nichts anderes anknüpfen und daraus erklären lässt. ... Begreifen heißt, ein Denken an ein anderes anknüpfen, das erstere vermittelst des letzteren denken. Wo eine solche Vermittlung möglich ist, da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus. Einen Akt der Freiheit begreifen wollen, ist also absolut widersprechend. Eben wenn sie es begreifen könnten, wäre es nicht Freiheit."*

Es ist das Mysterium, das dem ganzen System zu Grunde liegt. Liegt es? Nein, es wurde gelegt – von dem Philoso-phen, er hat es als Erklärungsgrund (aus Freiheit!) gewählt. Er hat es nicht begründet, er kann es rechtfertigen nur durch die Ausführung des Systems. Er hätte ein anderes wählen können? Nur, wenn sich damit ein System rechtfertigen ließe.

Die Freiheit rechtfertigt das System vom Anfang bis... zum Schluss? Wenn die Freiheit zu einem Schluss käme, wäre sie keine. Wird sie als Freiheit gedacht, ist sie ohne Ende: Die Reflexion ist unendlich, so wurde sie zu An-fang aufgefasst. Soll ein Schluss dennoch für möglich gehalten werden, müsste eine zusätzliche Prämisse einge-führt werden. Aber dann läge sie dem System zu Grunde und nicht die Freiheit, und Fichte hätte nicht sagen dürfen, dass auf diese "mein ganzes Denken aufgebaut ist".

*) Fichte, Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 181f.


 9. 12. 25




 

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